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Göran Therborn

Die Gesellschaften Europas 1945-2000. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2000 (Theorie und Gesellschaft 47); 435 S.; geb., 78,- DM; ISBN 3-593-36400-X
Der schwedische Soziologe Therborn will mit dieser Arbeit - Ergebnis zweier umfangreicher, komparativ angelegter Forschungsprojekte - die weltgeschichtliche Bedeutung der west- und osteuropäischen Nachkriegszeit untersuchen. Die Studie, ausdrücklich als soziologische Geschichtsschreibung konzipiert, strebt eine systematische Synthese empirischer Befunde an und keinen "interpretierenden Essay" (16). Die darin anklingende Distanz gegenüber ambitionierten gesellschaftstheoretischen Deutungen (explizit 380 ff.) zeigt sich auch an der Entscheidung, zahlreiche tabellarische Daten als Teil der Beweisführung in den Text einzubinden. Das Bild des modernen Europas - Moderne in einem temporalen, weder institutionell noch eurozentrisch fixierten Verständnis - entwickelt Therborn auf der Grundlage eines theoretischen Designs, in dem das soziale Handeln der Akteure wesentlich von deren kultureller Zugehörigkeit einerseits und ihrer strukturellen Position andererseits abhängt (22 ff.). Daraus ergeben sich drei analytische Dimensionen, die den Aufbau des Buches bestimmen: Strukturierungen von Ressourcen, Rechten, Chancen und Risiken (45 ff.), Räume als territoriale Abgrenzungen in ökonomischer und kultureller Hinsicht (202 ff.) und Enkulturationen, verstanden als unterschiedliche kulturelle Grundlagen kollektiver Identitätsbildungen (236 ff.). Eine Zusammenführung dieser Beobachtungen mündet schließlich in einer exemplarischen Darstellung von kollektivem Handeln (Zivilgesellschaft und neue soziale Bewegungen) und sozialer Steuerung ("Realsozialismus", europäische Integration) (314 ff.). Insgesamt entsteht ein ebenso realitätsnahes wie - in seiner moderat "euro-skeptischen" Haltung - anregendes Bild eines der Modernität verpflichteten Europas, das seinen Zenit überschritten hat. Aus dem Inhalt: I. Theorie und Geschichte: 1. Struktur, Kultur und Moderne; 2. Europa in der Moderne: Das ambivalente Zentrum; Der Weg in den Bürgerkrieg; Topologie der Zeit nach 1945; Die Infragestellung des Privateigentums; Die Globalisierung des europäischen Bürgerkriegs: der Kalte Krieg. II. Strukturierungen: 1. Grenzen und Bevölkerung Europas; 2. Aufgaben: Arbeitsteilungen: Die Entwicklung bezahlter und unbezahlter Arbeit; High Noon der Industriegesellschaft; Die Größe der arbeitenden Klassen; Formen der Arbeitsorganisation. 3. Anspruchsrechte: Mitgliedschaft und Wohlfahrt; 4. Handlungsrechte: Politik, Geschlecht und Eigentum; 5. Mittel: "Die glorreichen Jahre"; 6. Risiken und Chancen. III. Räume: 1. Städte und Staaten; 2. Der Wirtschaftsraum Europa; 3. Der Kulturraum Europa. IV. Enkulturationen: 1. Identitätsfragen; 2. Glaube und Wissen; 3. Werte der zeitgenössischen Moderne. V. Kollektives Handeln und soziale Steuerung: 1. Zivilgesellschaften und kollektives Handeln; 2. Sozialismus im Osten, Union im Westen: Zwei soziale Steuerungsprozesse: Der kommunistische "Weg zum Sozialismus"; Auf dem Weg zu einer "immer engeren" Union im Westen. VI. Die Moderne und Europa - sechs Fragen, sechs Antworten.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.61 | 2.62 | 2.23 | 2.21 | 2.26 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Göran Therborn: Die Gesellschaften Europas 1945-2000. Frankfurt a. M./New York: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11915-die-gesellschaften-europas-1945-2000_14217, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14217 Rezension drucken