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Andreas Hilger / Oliver von Wrochem (Hrsg.)

Die geteilte Nation. Nationale Verluste und Identitäten im 20. Jahrhundert

München: Oldenbourg Verlag 2013 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 107); VI, 209 S.; 24,80 €; ISBN 978-3-486-71863-8
Nations‑ und Staatsbildungsprozesse gehen häufig mit territorialen Verschiebungen und Gebietsteilungen einher, sodass sich die Bewohner neu entstandener und „zurückbleibende[r]“ Einheiten jeweils mit „mehrdimensionale[n] Verlusterfahrungen“ (2) auseinandersetzen müssen. Oft führten die dabei „wahrgenommenen Angriffe auf den nationalen Gesamtkörper […] zu einer nahezu reflexhaften Verstärkung tradierter nationaler Ansprüche und Visionen und trugen auf diese Weise wenn nicht zur Verstetigung, dann doch zur Verlängerung von Konflikten und Krisen bei“ (8). Die Beiträger_innen des Sammelbandes untersuchen die hiermit einhergehenden politischen und sozialen Prozesse sowie den geschichts‑ und erinnerungskulturellen Umgang damit, wobei sie sich auf Beispiele aus dem europäischen und dem asiatischen Raum konzentrieren. Dies geschieht in fünf Themenblöcken, die entsprechende Erfahrungen im Umfeld der beiden Weltkriege, von Dekolonisationsprozessen, des Endes des Ost‑West‑Konfliktes und von Bürgerkriegen in den Blick nehmen. Der in Washington DC lehrende ungarische Historiker Árpád von Klim Ó analysiert Identitätsdiskurse in Ungarn nach dem Vertrag von Trianon, in dem die Zugehörigkeit von zwei Dritteln des Territoriums des vormaligen ungarischen Königreiches zu anderen Staaten bestätigt wurde. Diese Erfahrung führte zur Entstehung eines Opfermythos, der im 20. Jahrhundert bei mehreren Gelegenheiten wieder aktiviert werden konnte. Die in Los Angeles wirkende koreanische Historikerin Namhee Lee gibt einen knappen Überblick über die Teilungsgeschichte der koreanischen Halbinsel. Wiedervereinigungskonzepte würden sich bisher meist in einer „Übernahme der anderen Seite“ (80) mit dem Ziel einer Homogenisierung beider Gesellschaften erschöpfen. Der Historiker und Politologe Darek Zabarah betrachtet die „Bruchlinien innerhalb der moldauischen Gesellschaft“ und deren „verschieden[e] Gesellschafts‑, Nations‑ und Staatsentwürfe“ (117). Die mehrfache Erfahrung des Zerfalls staatlicher Ordnungen im 20. Jahrhundert – Großrumänien, Sowjetunion, Sezession von Transnistrien/Pridnestrowien – habe auch bei den Eliten zur Entstehung „oft unüberbrückbarer Freund‑Feind‑Bilder“ (134) geführt.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 4.1 | 2.2 | 2.23 | 2.61 | 2.68 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Andreas Hilger / Oliver von Wrochem (Hrsg.): Die geteilte Nation. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36591-die-geteilte-nation_44882, veröffentlicht am 09.01.2014. Buch-Nr.: 44882 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken