Geschichtswiss. Habilitationsschrift Köln. - "'Wenn es an der Ruhr brennt, gibt es am Rhein bei Bonn nicht genug Wasser, das Feuer zu löschen.'" (374) Diese Einschätzung Rainer Barzels im Frühjahr 1966 weist auf den hohen politischen Stellenwert der Bergbaukrise an der Ruhr in den 60er-Jahren in Nordrhein-Westfalen und dem Bund hin. Jedoch wurde das Thema bislang vornehmlich aus wirtschaftshistorischer Perspektive untersucht. Nonn hingegen will an Ansätze der politischen Sozialgeschichte anknüpfen und darlegen, "wie gesellschaftliche Muster von Konflikt und Kooperation der regionalen und nationalen politischen Kultur von dem Entindustrialisierungsprozeß an der Ruhr beeinflußt wurden" (16 f.). Als weitergehendes Ziel sollen die Ergebnisse damit einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Modernisierungstheorie leisten. Methodisch greift er dazu auf die Netzwerkanalyse zurück, wie sie von der politischen Soziologie für die Analyse von Beziehungsmustern kollektiver Akteure entwickelt wurde. Dem Autor gelingt mit seinem Ansatz eine detaillierte Aufarbeitung der hochgradig komplexen Konfliktlagen, die sich auf eine breit angelegte Quellenrecherche stützt. Inhaltsübersicht: I. Kohle und Marktwirtschaft: Ordnungspolitische Weichenstellungen am Vorabend der Krise; II. Klassengegensatz oder "Branchenindividualismus": Industrielle Beziehungen im Ruhrbergbau; III. Revier und "Revierferne": Demonstrativer Radikalismus, Regierung und Gesellschaft 1958-1960; IV. Zweierlei Umbruch: Sozialdemokratie und Steinkohlenbergbau 1957-1961; V. Schrumpfen oder Bewahren? Entscheidung über die Zukunft der Kohle 1958-1963, VI. Die "Entballung" des Ruhrgebiets: Großstadtfeindschaft und Raumordnung; VII. Dreifacher Zusammenbruch: Der Bergbau und die Regierungen Meyers und Erhard; VIII. Die SPD in Regierungsverantwortung: Ausgetretene Pfade, neue Wege und vertraute Konflikte; IX. Große Koalition und Kohle: Verspielte Chancen und Wege aus der Sackgasse.