Skip to main content
Sven Felix Kellerhoff

Die Stasi und der Westen. Der Kurras-Komplex

Hamburg: Hoffmann und Campe 2010; 352 S.; geb., 23,- €; ISBN 978-3-455-50145-2
Bereits mit dem Buchtitel zeigt der Journalist Kellerhoff an, was er sich vorgenommen hat: exemplarisch an der Verstrickung des Polizisten Kurras den Einfluss der DDR auf Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik zu belegen. Kurras erschoss Benno Ohnesorg, wurde damit für 68er-Bewegung zur Inkarnation des bösen Staates und bespitzelte aber zugleich – wie erst jetzt in der Birthler-Behörde aufgedeckt wurde – für das Ministerium für Staatssicherheit seine Kollegen. Kellerhoff geht nun sogar so weit, „zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Generalrevision der bundesdeutschen Geschichte bis 1989/90“ (15) als notwendig zu erachten. Es ist schade, dass der Journalist sein Buch, in dem er irrsinnige Auswüchse des Kalten Krieges treffend auf den Punkt bringt, gesellschaftspolitisch so befrachtet und mit einer politischen Intention verbindet. Aber die beabsichtigte Diskreditierung der 68er-Bewegung funktioniert nicht mittels der aus persönlichen Motiven zwischen Ost und West pendelnden Figur des Polizisten Kurras. Gleichwohl ist sehr aufschlussreich, was Kellerhoff an Fakten noch einmal zusammengetragen hat. Dazu gehört die Schilderung der verfehlten Polizei-Einsätze in West-Berlin am Tag des Schah-Besuchs im ersten Kapitel. Die Informationen im zweiten Teil über die Vita und die Spitzeldienste von Kurras decken sich im Wesentlichen mit den Schilderungen in „Wer erschoss Benno Ohnesorg“ von Armin Fuhrer (siehe ZPol-Nr. 38301). Im dritten Kapitel versucht Kellerhoff die Fäden zusammenzuführen und zeigt an einzelnen Beispielen, wie die DDR danach trachtete, die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik zu manipulieren. Die zeitweilige Finanzierung der Zeitschrift „Konkret“ ist längst bekannt, ebenso die Versuche, den Verleger Axel Springer in Verruf zu bringen. Kellerhoff stellt auch die Unterstützung der RAF und ihrer Aussteiger in diesen Kontext. Nachdrücklich kritisiert er, dass eine „seltsame informelle Koalition“ (311) bis heute die Aufarbeitung der „Westarbeit“ (311) der SED behindere – ohne den Blick auf diese Einflussnahme aber könne, so seine These, die Geschichte der Bundesrepublik bis 1989 nicht geschrieben werden.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.313 | 2.314 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Sven Felix Kellerhoff: Die Stasi und der Westen. Hamburg: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/31991-die-stasi-und-der-westen_38151, veröffentlicht am 23.06.2010. Buch-Nr.: 38151 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken