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Tanja Hitzel-Cassagnes

Die Verfassung des Transnationalen. Reflexive Ordnungsbildung jenseits des Staates

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Studien zur Politischen Soziologie 12); 287 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8329-6684-3
Habilitationsschrift Hannover. – Aufbauend auf Kant und Hegel erarbeitet die Autorin einen Institutionenbegriff, der dem normativen Gehalt einer Institution denselben Stellenwert einräumt wie ihrer faktischen Wirkkraft. Daraus folgen zwei Aspekte: Zum einen ist jede Form von Institution zwangsläufig immer ein Provisorium, da die Differenz zwischen Faktizität und normativem Anspruch ein permanenter Veränderungsmotor ist. Zweitens führt diese Differenz dazu, dass Institutionen Reflexivität herstellen und gewährleisten (was zugleich die normative Seite stärkt und reproduziert). Basierend auf diesem Institutionenverständnis analysiert Hitzel-Cassagnes zwei Prozesse der transnationalen Institutionalisierung. Am Beispiel des europäischen Verfassungsprozesses (oder besser: der europäischen Rechtsentwicklung) zeigt sie zunächst die sukzessive Entwicklung von einer negativen, d. h. rein ökonomischen Imperativen unterworfenen, hin zu einer positiven, an individuellen Grundrechten orientierten Rechtsprechung und Rechtsumsetzung. Ähnliche Prozesse werden anschließend mit Blick auf die Entwicklung des Völkerrechts diskutiert. Mit der Skizzierung der inneren Widersprüche und provisorischen Natur von Institutionen zeigt die Autorin insgesamt einen wichtigen Aspekt auf, der in der Institutionenforschung allzu oft vernachlässigt wird. Allerdings wird nicht ersichtlich, warum der normative Charakter immer „auf einen besseren Zustand“ (18) gerichtet sein muss – beziehungsweise anders formuliert: wer oder was definiert denn eigentlich, was „besser“ ist? Liegt der widersprüchliche, provisorische Charakter von Institutionen nicht gerade darin, dass ihre alltägliche Reproduktion und Anfechtung gesellschaftliche Konflikte widerspiegelt, der Wandel von Institutionen zumindest eine partielle Funktion dieser den Institutionen eingeschriebenen Konflikte und der dahinterstehenden Machtbeziehungen ist? Anzufügen bleibt darüber hinaus noch, dass das Buch aufgrund seiner voraussetzungsvollen (und teils sehr verklausulierten und verschachtelten) Sprache vor allem für Fortgeschrittene geeignet ist – und selbst für diese größtenteils als schwere Kost zubereitet ist.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 4.1 | 3.2 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Tanja Hitzel-Cassagnes: Die Verfassung des Transnationalen. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34868-die-verfassung-des-transnationalen_41914, veröffentlicht am 21.06.2012. Buch-Nr.: 41914 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken