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Michael Schwelien

Die voyeuristische Gesellschaft oder Bill Clinton und die Selbstzerstörung der amerikanischen Demokratie

Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1999; 218 S.; 14,90 DM; ISBN 3-499-60801-4
Manchmal wundert man sich, wie lange Auslandskorrespondenten in einem Land verweilen und wie viel ihnen doch verschlossen bleibt. So auch in diesem Fall: Der Autor, bis Ende 1998 Berichterstatter für "Die Zeit" in Washington, meistert sein Thema und scheitert gleichermaßen an ihm: Er meistert es, indem es ihm gelingt, die Lewinsky-Affäre aus ihrem faktischen Kontext herauszulösen und als eine Metapher für die politische Kultur der USA in den 90er Jahren zu begreifen, in der der Einfluß der Mediengesellschaft, die Politisierung der Geschlechterbeziehungen und die moralischen Anforderungen an amerikanische Politiker in exemplarischer Weise erkennbar werden. Dies ist aber auch das einzig Erwähnenswerte an dem Buch. Denn gleichzeitig leidet Schweliens Arbeit an sprachlichen Ungenauigkeiten und Übertreibungen: So ist die Stellung des amerikanischen Präsidenten im politischen System der USA sicherlich nicht "königsgleich", die Verwendung der Begriffe "Puritanismus" und "Fundamentalismus" ist inflationär und oberflächlich zugleich, und daß z. B. die Beschreibung "frustriert" für Linda Tripp Verwendung findet, ist wohl einem bestimmten journalistischen Verständnis zuzuschreiben. Auch die Freunde von Verschwörungstheorien werden bedient: So sieht der Autor hinter der gesamten Affäre den Versuch eines Staatsstreiches rechter Fundamentalisten in den USA. Warum der Verlag diese Arbeit in einer Reihe mit dem Namen "Sachbuch" publiziert, bleibt rätselhaft. Inhalt: Die Party; Die Verführung; Die Richter; Die Intrigantin; Tradition; Der Gebrauchtwagenhändler; Billary; Bimbos; Das Faß läuft über; Happy Birthday, Mr. President.
Markus Kaim (MK)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Forschungsgruppe "Sicherheitspolitik", Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin.
Rubrizierung: 2.64 Empfohlene Zitierweise: Markus Kaim, Rezension zu: Michael Schwelien: Die voyeuristische Gesellschaft oder Bill Clinton und die Selbstzerstörung der amerikanischen Demokratie Reinbek: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/8191-die-voyeuristische-gesellschaft-oder-bill-clinton-und-die-selbstzerstoerung-der-amerikanischen-demokratie_10807, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 10807 Rezension drucken