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Wladislaw Hedeler / Klaus Kinner (Hrsg.)

"Die Wache ist müde" Neue Sichten auf die russische Revolution 1917 und ihre Wirkungen

Berlin: Karl Dietz Verlag 2008 (Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus VI); 415 S.; hardc., 24,90 €; ISBN 978-3-320-02140-5
Unter der Fragestellung „Welches Erbe beerben wir?“ diskutierten Politiker, Historiker und Politikwissenschaftler aus Russland und Deutschland im Juni 2007 auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin während des VI. Ständigen Kolloquiums zur historischen Sozialismus- und Kommunismusforschung das Erbe der Linken 90 Jahre nach der Russischen Revolution von 1917. In den Beiträgen spiegelt sich das linke Spektrum in der Bandbreite von anarchistischen über sozialrevolutionäre bis hin zu sozialdemokratischen Strömungen wider. An zentraler Stelle steht in zahlreichen Beiträgen der demokratische Aufbruch der Konstituierenden Versammlung vom Februar 1917 bis Januar 1918. Die Bolschewiki unter Lenin setzten unter Berufung auf die Französische Revolution auf Klassenkampf und lehnten den bürgerlichen Parlamentarismus schließlich zugunsten der Sowjetrepublik ab. Klaus Lederer beschäftigt sich aktualisierend mit der Bedeutung der Russischen Revolution für die heutige Linke. Zuvorderst konstatiert er: „Gegenwärtig ist es innerhalb der Linken in ihrer Breite weniger en vogue, sich den gegenwärtigen Verhältnissen im Bemühen um analytische Tiefe und strategischen Surplus anzunähern, als sich durch Benutzung besonders auf Abgrenzung gegenüber dem vermuteten Zeitgeist orientierter […] Vokabeln auszuzeichnen“. Die Ursache ist für den Autor klar: „Die Scheiternserfahrung von 1989/1990 hat weite Teile der Linken […] theoretisch und organisatorisch geradezu paralysiert“ (375). Es muss also, so der Autor, darum gehen, sich von alten Denkmustern zu befreien. In diesen wurde die Revolution als „finale Lösung idealisiert“ (381). Zudem habe die „schlichte Ineinssetzung von bürgerlichem Staat und Kapitalverhältnis […] den Blick dafür verkleistert, dass der Staat etwas komplexer zu beschreiben ist als nur als ein Macht- und Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie zur Unterdrückung der Arbeiterklasse“ (391). So gesehen greifen Formeln wie „neoliberale Modernisierung“ oder „Deregulierung“ zu kurz, stellt Lederer fest. Die Linke müsse sich um theoretische Tiefe bemühen.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.62 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Wladislaw Hedeler / Klaus Kinner (Hrsg.): "Die Wache ist müde" Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29094-die-wache-ist-muede_34368, veröffentlicht am 21.10.2008. Buch-Nr.: 34368 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken