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Rüdiger Lohlker

Dschihadismus. Materialien

Wien: facultas.wuv 2009 (Uni-Taschenbücher 3132); 248 S.; kart., 19,50 €; ISBN 978-3-8252-3132-3
Der Autor hat in diesem Band diverse arabische Texte erstmals ins Deutsche übersetzt, kritisch angemerkt und analysiert. Dabei finden u. a. so unterschiedliche Gattungen Berücksichtigung wie Beiträge aus Onlineforen, militärische und biografische Texte, aber auch muslimische Gegenkonzepte zum Dschihadismus. In die getrennten Textsammlungen führt der Autor jeweils kurz und kenntnisreich ein; in seiner umfangreichen Einleitung widmet er ein Kapitel der Geschichte des Dschihadismus. Dabei ist Lohlker, der eine stark kulturwissenschaftliche Perspektive einnimmt, der Hinweis wichtig, dass der Begriff des Islams und jener der dschihadistischen Strömung nicht identisch sind. Letztere sieht er vor allem als eine soziale Bewegung an, die eine „genuin moderne Bewegung ist, die nur als Resultat kolonialer bzw. globalisierender Entwicklungen und Krisen zu begreifen ist“ (9). Einem historisch‑kritischen Verständnis der Moderne folgend, ist sie damit auch als Teil dieser Moderne zu sehen. Das Unbehagen an der Moderne sieht der Autor im „höchst modernen Gefühl der allgemeinen sozialen Malaise“ (10) begründet. Das Konzept des Dschihad erweist sich dabei als keineswegs homogen, zahlreiche Denkrichtungen konkurrieren um eine eher friedliche oder eher kriegerische Auslegung, womit er sich als „eine komplexe Doktrin und eine Ensemble von Praktiken“ erweist, „die sich – manchmal wörtlich, manchmal in keiner Weise wörtlich – auf Gewalt […] richten“ (19). Zu den jüngeren Entwicklungen hält Lohlker fest, dass der regional verankerte Dschihadismus durch Al‑Kaida „zu einem transnationalen Unternehmen“ (36) wurde. Insbesondere in Afghanistan zeige sich seit „dem erneuten Aufstieg der (Neo‑)Taliban seit den Jahren 2003 bis 2005“ (41) eine Verschiebung auf ideologischer Ebene, die auf einen wachsenden Einfluss dschihadistischen Gedankenguts schließen lasse. Mit Bezug auf das Internet verweist der Autor darauf, dass sowohl in Singapur als auch beispielsweise in Saudi Arabien vonseiten muslimischer Institutionen eigene Internetpräsenzen betrieben werden, um den Einfluss der Dschihadisten zu bekämpfen.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.41 | 2.25 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Rüdiger Lohlker: Dschihadismus. Wien: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29994-dschihadismus_35550, veröffentlicht am 16.06.2009. Buch-Nr.: 35550 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken