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Heiner Timmermann

Europa – Ideen statt Finanzmärkte

Berlin: Lit 2011 (Politik und Moderne Geschichte 14); 158 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-643-11467-9
Timmermann will einen klaren Gegenakzent zu den gegenwärtig dominierenden europapolitischen Themen rund um die Finanzkrise setzen. Ihm geht es um die „Europa-Idee“ und ihre „historisch-politisch-kulturellen-philosophischen Wurzeln“. Er macht keinen Hehl aus seiner Meinung zu den gegenwärtigen Rettungsmaßnahmen, die er für „katastrophal, unübersichtlich, kurz gegriffen“ hält, weil „im Grunde Banken gerettet, saniert, unterstützt und staatlicher Schlendrian belohnt werden“ (7). Dem drohenden Auseinanderbrechen der EU will der Autor eine Besinnung auf die historischen und intellektuellen Wurzeln Europas entgegensetzen. Dies tut Timmermann mit einem Parforceritt durch die europäische Ideengeschichte, wobei diese Darstellung an vielen Stellen fast schon stichwortartig anmutet, so komprimiert werden die Überlegungen einzelner Denker wiedergegeben. Martin Luther wird beispielsweise lediglich mit einer bildlichen Darstellung sowie einer Bildunterschrift als Teil der gewaltsamen Reformationskriege abgehandelt. Über Hobbes und Montesquieu – jeweils auf einer Seite dargestellt – landet der Leser vier Seiten nach Luther im Arbeitszimmer Napoleons I. Weitere drei Seiten später ist der historische Exkurs – nach Ausführungen zur Französischen Revolution und Victor Hugo – mit einem Bekenntnis zu den „Zielen, nach denen die Europäer streben sollten, die ihnen die Geschichte anvertraute: Frieden, Demokratie, Freiheit“ (32), abgeschlossen. In Abschnitt II wendet sich Timmermann dann europäischen Einigungs- und Friedensplänen zu. Auch diesen Teil legt er in Form eines historischen Längsschnitts an, indem er bei Dante Alighieri startet. Vor allem den neuzeitlichen Denkern sowie den Friedensvorstellungen des 20. Jahrhunderts und der Nachkriegszeit widmet Timmermann jeweils etwas mehr Raum. Die Darstellungen von den Anfängen des europäischen Integrationsprozesses bis heute zeichnen sich im Wesentlichen durch die Wiedergabe der entsprechenden Vertragstexte und politischen Vereinbarungen aus. Timmermann schließt mit dem Bekenntnis eines flammenden Europäers alter humanistischer Prägung: „So wie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ein Instrumentarium lieferte für eine Abwehrbereite Demokratie, muss Europa sich ein Instrumentarium zulegen für eine Abwehrbereite Integration“ (149). Angesichts der extrem verkürzten Darstellung bleibt unklar, welchen Zweck Timmermann mit seinem Band verfolgt und welche Zielgruppe er damit ansprechen will. Denn eigentlich eignet sich der Band nur als Kompendium, das die Stichworte für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie an anderer Stelle liefert.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 3.1 | 5.3 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Heiner Timmermann: Europa – Ideen statt Finanzmärkte Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35397-europa--ideen-statt-finanzmaerkte_42660, veröffentlicht am 06.09.2012. Buch-Nr.: 42660 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken