Der Volkswirt Guth war zunächst Spitzenbeamter u. a. der Bundesbank sowie des IWF und später Vorstandssprecher, dann Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank und zahlreicher weiterer Großunternehmen der deutschen Wirtschaft. Dieser Band dokumentiert sechs Reden und den Titelaufsatz aus der Zeit nach Guths aktiver Berufslaufbahn; er schließt damit an einen Band von 1989 an, der Texte Guths aus den Jahren 1967-1989 enthält. Die Titelfrage der letzten Rede beantwortet der Autor mit "Nein" und weist nach, daß der ausufernde Sozial- und Umverteilungsstaat von heute nicht dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards entspricht. "Wir alle sind mitschuldig, daß die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft immer weiter ausgehöhlt wurden." (104) Die Kritik an Überregulierung, Subventionen, untragbaren Steuer- und Soziallasten, Vollkaskomentalität und einer unverantwortbaren Staatsquote sowie der Ruf nach mehr Eigenverantwortung, Flexibilität, Leistungsbereitschaft, Wettbewerb, einer Lockerung des Tarifkartells und nach Freihandel zieht sich neben den anderen jahrelang vergeblich eingeforderten Reformen für den "Standort Deutschland" als roter Faden durch alle Texte. Der zweite große Themenbereich der überwiegend an internationale Auditorien gerichteten Reden ist die Europäische Integration, insbesondere die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Von Europa wie von Deutschland fordert Guth einen klaren ordnungspolitischen Rahmen, in dem staatliches Handeln im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zwar unverzichtbar ist, aber immer nur subsidiär gegenüber dem Markt und der Verantwortung des einzelnen sein darf. In diesem Sinne dokumentieren die Texte Guths als präzise zeitgeschichtliche Analysen die schwierige und (zu) langsame Anpassung Deutschlands und Europas an ein sich rapide wandelndes internationales wirtschaftliches Umfeld in den ersten zehn Jahren der Globalisierung. Inhalt: Rolf E. Breuer: Zum Geleit (8-10); Progress in European Integration (Paris 1992); Deutschland in den neunziger Jahren – temporäre und strukturelle Probleme nach der Vereinigung (St. Gallen 1993); Lebensqualität, Strukturwandel und die Rolle des Staates in Deutschland (Tokio 1994); Symposium "Germany, Japan and the United States" (Keynote Address) (Berlin 1996); Die soziale und ökonomische Verfassung Deutschlands im 21. Jahrhundert (Dresden 1996); Europäische Integration und Soziale Marktwirtschaft (Festschrift Ludwig Erhard 1997); Leben wir noch in einer Sozialen Marktwirtschaft? (Königstein 1997); Vita.