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Daniel Cohen

Fehldiagnose Globalisierung. Die Neuverteilung des Wohlstands nach der dritten industriellen Revolution. Aus dem Französischen von Bodo Schulze

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 1998; 206 S.; kart., 36,- DM; ISBN 3-593-35982-0
Es ist nahezu ein Gemeinplatz kritischer Kommentare über die Dynamik der westlichen Wirtschaftssysteme geworden, die Globalisierung als Ursache eines enthemmten "Raubtier-Kapitalismus" zu sehen, der die politische Verantwortung von Nationalstaaten ignoriert und dem die sozialen Folgen gleichgültig sind. Die zunehmende Internationalisierung ökonomischer Prozesse erscheint in dieser Wahrnehmung als ein Übel, das - von außen kommend - Wohlstand und soziale Kohäsion der Industriegesellschaften bedroht. Der französische Ökonom Cohen will mit seinem ebenso provokativ wie elegant formulierten Essay das Schlagwort der Globalisierung demystifizieren: weder spiele der Handel mit den armen Ländern quantitativ die Rolle, die ihm in der öffentlichen Diskussion oftmals zugeschrieben werde, noch sei er aufgrund seiner Warenstruktur in der Lage, die überlegene Position der reichen Nationen zu gefährden. Die unbestreitbaren Probleme etlicher westlicher OECD-Staaten (Arbeitslosigkeit, steigende soziale Ungleichheit, Krise sozialstaatlicher Sicherungen - 94 ff., 123 ff.) beruhen vielmehr - infolge der "dritten industriellen Revolution" - auf internen Veränderungen von Produktionsstruktur und Arbeitsorganisation der kapitalistischen Kerngesellschaften selbst (81 ff.). Die Formel der Globalisierung scheint auf "ideale Weise zu unseren inegalitären Gesellschaften [zu] passen", während tatsächlich die wachsende soziale Ungleichheit den Anfang eines Prozesses bildet, "in den sich der internationale Handel erst nachträglich einschreibt" (77). Das Buch macht nachdrücklich darauf aufmerksam, daß eine gleichsam protektionistische Verwendung des Schlagworts "den Kampf um den sozialen Wohlstand 'nach außen' verlagern [würde], wo er doch 'im Inneren' zu führen ist" (16). Inhalt: 1. Das Elend der Welt: Der ärmste Mensch der Welt; Stadt und Land; Der Merkantilismus; Die Korruption; "Demokratie für Afrika". 2. Das Märchen zweier Städte: Hongkong und Singapur; Läßt sich diese Erfahrung verallgemeinern? Der Reichtum der Nationen; Reichtum und internationaler Handel; Die kommenden "dreißig ruhmreichen Jahre". 3. Die große Angst des Westens: Komparative Kostenvorteile; Handel als zerstörerische Kraft; Die neue Deindustrialisierung; Der makroökonomische Anpassungsprozeß; Die neuen komparativen Kostenvorteile; Die "Symbolproduzenten"; Die Angst vor ungleicher Einkommensverteilung. 4. Die dritte industrielle Revolution: Über die Ursprünge der ungleichen Einkommensverteilung in den Vereinigten Staaten; Die Tertiärisierung der Wirtschaft; Die anderen Schuldigen; Die dritte industrielle Revolution; Die "O-Ring"-Produktion; Die neuen Lohn- und Gehaltsunterschiede; Das Ende des Fordismus. 5. Neue Gruppenbildungen: Die Schule; Die Familie; Die Nation. 6. Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung: Die Massenarbeitslosigkeit; Die nachlassende Nachfrage nach unqualifizierter Arbeit; Wirtschaftsliberalismus und Keynesianismus; Die Phillips-Kurve; Insider und Outsider; Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung. 7. Das Elend der Politik: Die Krise der Wirtschaftspolitik; Das schlechte Argument der Sachzwänge; Die ewige Wiederkehr des Pauperismus; Der politische Wille ist tot; Der neue Individualismus; Das vierte Zeitalter der politischen Ökonomie. Schlußbemerkung; Nachwort: Die Odyssee der Welt: Heute; Von einem Protektionismus zum anderen; Unmöglicher Protektionismus.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.43 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Daniel Cohen: Fehldiagnose Globalisierung. Frankfurt a. M./New York: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/5339-fehldiagnose-globalisierung_7007, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 7007 Rezension drucken