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Jörg Fischer

Ganz rechts. Mein Leben in der DVU

Reinbek: Rowohlt 1999 (rororo aktuell); 153 S.; 14,90 DM; ISBN 3-499-22597-2
Fischer ist einer der bekanntesten Aussteiger aus der rechten Szene, und dieser Band verfolgt autobiographisch seinen Weg durch die NPD, DVU und wieder aus ihnen heraus. Der Band ist locker-journalistisch geschrieben (Fischer hat an vielen rechtsradikalen Zeitungen mitgearbeitet und versteht das Handwerk des Schreibens) und enthält zahlreiche Informationen, die man von außen kaum bekommen könnte. Es entsteht ein beeindruckendes und widerliches Bild des extremen Rechtsradikalismus, seiner Wahlkämpfe und Parlaments"arbeit", die kaum diesen Namen verdient, seiner personellen Verflechtungen, der Unterschiede zwischen Führern (vor allem Frey und Mußgnug) und Geführten, deren geistige Simplizität sie auch in Landtagen nicht verläßt (drastische Beispiele etwa 90 f.). Die erschreckende Betriebsamkeit und das strategische Kalkül der oberen Funktionärsebene werden vom Autor warnend hingestellt und führen dazu, daß man die vielen Schilderungen, Anekdoten über Chaos, Mißerfolg und schlichte Unfähigkeit nicht mit zu großer Beruhigung zur Kenntnis nimmt. Auch über Verbindungen zum rechten Rand demokratischer Parteien wird einiges gesagt, was nachdenklich stimmt. Von großem Interesse ist auch die graduelle, aber trotzdem plötzliche Geschichte, die einen 13jährigen Jungen dazu bringt, sehr schnell im rechten Sumpf zu versinken, und die andersrum verlaufenden Ereignisse, durch die ein 22jähriger Mann, der trotz seiner Jugend schon Multifunktionär sowie erfahrener Wahlkämpfer und Organisator ist, den Weg nach draußen findet. Gleichwohl liegt an dieser Stelle auch ein Problem des Buches. Beide Vorgänge werden bemerkenswert unpolitisch geschildert. Der Anfang klingt so, als könnte es auch eine beliebige andere Partei oder ein Sportverein oder die Freiwillige Feuerwehr sein, die dem jungen Außenseiter Halt und Geborgenheit geben. Ideologie und geistige Auseinandersetzung mit ihr kommen nicht vor; zwar bekennt Fischer an vielen Stellen, daß er damals alle politischen Bestandteile des Programms unterschrieben hätte, aber das sagt wenig über seine eigene ideologische Situation. Ähnlich beim Ausstieg; vage werden Zweifel genannt, ohne wirklich erläutert und durchdacht zu werden, und man gewinnt fast den Eindruck, daß es ohne Fischers Homosexualität, die in diesen Kreisen natürlich als "undeutsch" gilt, möglicherweise nicht zum Bruch gekommen wäre. Gleichwohl, es ist zum Bruch gekommen, und man muß Fischer für seinen detaillierten Erlebnisbericht dankbar sein. Übrigens dürfte dies das erste für die ZPol rezensierte Buch sein, in dem anderthalb Zeilen (92) per Gerichtsbeschluß unlesbar gemacht worden sind.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Jörg Fischer: Ganz rechts. Reinbek: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/8539-ganz-rechts_11260, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11260 Rezension drucken