Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung
In Anknüpfung an eine Konferenz zum deutschen Soldatengedenken (siehe Buch‑Nr. 35332) erweitern die Herausgeber den Untersuchungsrahmen auf die globale Ebene. 20 Länder, davon zehn europäische, werden in den Blick genommen. Eine wirklich systematisch vergleichende Perspektive nimmt nur der Einführungsbeitrag von Hettling ein. Die Länderbeiträge stehen dann weitgehend unverbunden nebeneinander. Betrachtet werden Formen des Gefallenengedenkens als „Rechtfertigungen des Sterbens und Tötens für das Gemeinwesen“ und als „rituelle Praxis im gesellschaftlich‑politischen Raum“ (9), die sich in Europa (und den USA) seit Ende des 18. Jahrhunderts entscheidend veränderten. Die vormoderne Legitimierung staatlicher Gewaltausübung über den Herrscher verschob sich nun auf die Gemeinschaft oder eine bestimmte politische Ordnung. Im Kampf dafür konnte dem Sterben des Einzelnen Sinn verliehen werden: „Der Zusammenhang von individuellem Tod und kollektiver Handlungseinheit ist seither konstitutiv für den modernen Totenkult.“ (17) Dieser Individualisierungsprozess des Gedenkens, der den einzelnen Soldaten beim Namen nennt, vollzieht sich mit zeitlicher Verzögerung weltweit. In Russland beispielsweise ist eine solche Form der Erinnerung erst in den vergangenen Jahren durch die Gesellschaft Memorial intensiviert worden. Drei Bedingungsfaktoren werden von Hettling als Vergleichsparameter benannt: die Ausdrucksformen gesellschaftlicher Teilhabe, eventuelle religiöse Vorgaben und die jeweiligen nationalen Deutungsbedingungen. Gerade letzterer Punkt führt zu spezifischen Ausprägungsformen. In Spanien etwa entstanden durch die Bürgerkriegserfahrung „zwei konkurrierende Vorstellungen von nationaler Einheit“ (442), sodass die Demokratisierung des Landes „auch einen Wendepunkt in der Geschichte des Gefallenengedenkens“ (455) bedeutete. Durch die „neuen Kriege“ (Münkler) sei es bisher noch nicht zu signifikanten Änderungen gekommen: Auch wenn Soldaten in einem multinationalen Einsatz gefallen sind, wird ihrer weiterhin primär im nationalen Rahmen gedacht.