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Christoph Fleischmann

Gewinn in alle Ewigkeit. Kapitalismus als Religion

Zürich: Rotpunktverlag 2010; 281 S.; brosch., 21,50 €; ISBN 978-3-85869-416-4
In seinem umfangreichen Essay knüpft Fleischmann an Walter Benjamin an, der 1921 die Auffassung vertrat, dass der Kapitalismus eine Religion sei, die in Europa das Christentum abgelöst habe. Demnach kennzeichnen den Kapitalismus verschiedene Merkmale, wie u. a. eine dauerhafte Orientierung auf Verwertung, die Verschuldung und eben nicht die Sühne oder auch die Verheimlichung der kapitalistischen Gottheit, des Kapitals. Dies sei ein Tabu, erläutert Fleischmann, da in der Tat selten ausgesprochen werde, „dass es die Verwertungsinteressen des Kapitals sind, nach denen die Wirtschaft organisiert wird“ (14) und eben nicht die Interessen des Menschen. Historisch erläutert er weiter mit Benjamin, dass das Christentum zur Reformationszeit nicht den Kapitalismus begünstigt, sondern sich in Kapitalismus umgewandelt habe. In dieser Perspektive erläutert der Autor auch den kulturgeschichtlichen Wandel der Habgier „von der Todsünde zur Wirtschaftstugend“ (99). Für Luther sei das Zinsnehmen noch ein Gegensatz zum Vertrauen auf Gott gewesen und Habgier, wenn man die Notlage derer ausnutzt, denen man mit Nächstenliebe begegnen sollte. Rechtsinterpreten hätten sich jedoch vor allem mit Hinweis auf die Vertragsfreiheit der römischen Rechtstradition von diesen Grundsätzen verabschiedet. Diese Diskurse fanden in der Renaissance und im Mittelalter statt, so Fleischmann, da „die Reichen nicht mehr unter Statusinkonsistenz“ (132) leiden wollten. Damit ist gemeint, dass die Händler für die Kirche und das traditionelle Moralsystem „suspekte Gesellen“ (132) waren. Diese Entwicklungen schildert der Autor ausführlich, denn in der Gegenwart habe sich die „Habgier im System aufgelöst“, da in der Diskursgeschichte „der Eigennutz ganz unironisch als Garant für das Allgemeinwohl ausgegeben“ (238) wurde. Man könne sich dem Kapitalismus kaum entziehen, weswegen Max Weber ihn auch als herrenlose Sklaverei apostrophiert habe. Das persönliche Verhalten zu ändern, führt der Autor Weber erläuternd weiter aus, führe in „ökonomischen Untergang“ (237).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22 | 5.45 | 5.43 | 5.33 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Christoph Fleischmann: Gewinn in alle Ewigkeit. Zürich: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32285-gewinn-in-alle-ewigkeit_38528, veröffentlicht am 19.07.2010. Buch-Nr.: 38528 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken