„Nie gezählt“, antwortete Loki Schmidt, die Frau des fünften Bundeskanzlers, anlässlich des 90. Geburtstags ihres Mannes auf eine Frage der „Zeit“ nach der Anzahl der mittlerweile auf dem Markt befindlichen Helmut-Schmidt-Biografien. Mit „Macht und Verantwortung“ hat pünktlich zum runden Geburtstag des Altkanzlers der Historiker Soell diesem Stapel von offenkundig unbekannter Größe ein weiteres Werk hinzugefügt; er schließt mit der Betrachtung der Jahre 1969 bis zur Gegenwart seine zweibändige Biografie über Helmut Schmidt ab (zu Band 1 siehe ZPol-Nr. 23113). Im Mittelpunkt steht zunächst die Zeit Schmidts als Verteidigungs-, dann als Wirtschafts- und Finanzminister, bevor er 1974 Willy Brandt im Amt des Bundeskanzlers nachfolgt. Hier muss der Hamburger sich im Kampf gegen Weltwirtschafts- und Energiekrise, den mörderischen RAF-Terrorismus und die Bedrohung durch sowjetische Mittelstreckenraketen bewähren. Zugleich setzt er Impulse für die weitere europäische Einigung, bevor das Wendemanöver der FDP 1982 Helmut Kohl ins Kanzleramt bringt. Der politischen Debatte bleibt Schmidt aber als Publizist und Herausgeber der „Zeit“ erhalten. All dies schildert Soell, selbst ehemaliger Mitarbeiter Schmidts und SPD-Bundestagsabgeordneter, in oftmals ermüdender Detailliertheit. Wie schon beim ersten Band profitiert der Autor dabei vom Zugang zum Privatarchiv des Altkanzlers, allerdings gelingt es ihm auch, die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anschaulich zu machen, ohne dabei seinem „Studienobjekt“ zu unkritisch gegenüberzutreten. Es handelt sich um eine politische Biografie, denn der Privatmann Schmidt bleibt dem Leser weitgehend verborgen. Unbeschadet dieses Umstandes hat Soell zweifellos ein bedeutendes Werk über einen der großen Kanzler der Bundesrepublik vorgelegt, welches durch seine epische Breite – fast 2000 Seiten in zwei Bänden – allerdings nicht jeden Leser gleichermaßen ansprechen dürfte.