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Heike Brabandt

Internationale Normen und das Rechtssystem. Der Umgang mit geschlechtsspezifisch Verfolgten in Großbritannien und Deutschland

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Internationale Beziehungen 15); 275 S.; 39,- €; ISBN 978-3-8329-6139-8
Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: G. Hellmann, F. Kratochwil. – In der bisherigen Forschung über die Wirksamkeit internationaler Normen besteht weitgehend Einigkeit darin, dass für deren Umsetzung auf nationaler Ebene strategisch handelnde Akteure, sogenannte Normadvokaten, erforderlich sind. Welche Faktoren darüber hinaus dafür verantwortlich sind, dass internationale Normen Eingang in die nationale Politik eines Landes finden, ist hingegen bisher nur wenig – und dann zumeist für Länder des Südens oder der ehemaligen Sowjetunion – erforscht worden. Die Autorin widmet sich diesem Forschungsdesiderat am Beispiel der nicht-verbindlichen internationalen Norm zur geschlechtssensiblen Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und untersucht deren Umsetzung in Deutschland und Großbritannien. Damit nimmt sie zwei Demokratien des globalen Nordens in den Blick, die einerseits „eine ähnliche Situierung im internationalen System aufweisen“ (20), andererseits eine hohe Varianz bei der Normumsetzung haben und sich hinsichtlich ihrer „domestic structure“ (17) (Eigenheiten des politischen Systems und deren Auswirkungen auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft) unterscheiden. Die Autorin stellt zunächst die zu untersuchende Norm und die daran geknüpften Maßnahmen vor und gibt einen historischen Abriss der britischen und deutschen Asylpolitik. Den Kern der Studie bildet eine Prozessanalyse der Umsetzung der Norm in beiden Ländern im Zeitraum von 1993 – dem Jahr, in dem auf der Weltmenschenrechtskonferenz erstmals Frauenrechte als Menschenrechte anerkannt wurden – bis Ende 2004. Dabei zeigt sich, dass in Großbritannien fast alle Maßnahmen zur Umsetzung der internationalen Norm ergriffen wurden. Der Prozess in Deutschland hingegen gestaltete sich „sehr schwierig und langwierig“ (123). Brabandt identifiziert mit der Ausprägung des Rechtssystems einen wesentlichen Einflussfaktor. Das Fallrechtssystem in Großbritannien, das u. a. der Judikative eine aktive Rolle bei der Rechtsentwicklung gewährt, beförderte die Umsetzung der internationalen Norm, während sich in Deutschland die „Strukturmerkmale des deutschen Kodifikationssystems“ (226) als hinderlich erwiesen. Mit der empirisch hergeleiteten Hypothese über den Zusammenhang von Rechtssystem und Normumsetzung leistet die Autorin einen wertvollen Beitrag zur aktuellen Theoriedebatte über die Wirkung internationaler Normen.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.42 | 2.263 | 2.343 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Heike Brabandt: Internationale Normen und das Rechtssystem. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33706-internationale-normen-und-das-rechtssystem_40368, veröffentlicht am 08.09.2011. Buch-Nr.: 40368 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken