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Sonja Puntscher Riekmann / Alexander Somek / Doris Wydra (Hrsg.)

Is there a European Common Good?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Salzburg European Union Studies 1); 275 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-8329-7976-8
Spätestens mit den Finanz‑ und Haushaltskrisen der zurückliegenden Jahre ist die Frage nach dem europäischen Gemeinwohl – oder, einfacher: „What for are we together?“ (11) – nicht mehr nur in den Sozialwissenschaften prominent, sondern in den öffentlichen Diskurs hinübergeschwappt. Dabei wird die Debatte in der Regel jedoch weder strukturiert noch zielgerichtet geführt – sie definiert sich vielmehr indirekt über wachsenden Euroskeptizismus und Kritik an einzelnen Politiken (Finanzhilfen, TTIP), wobei der Diskurs, je nach Politikfeld, mehr oder weniger populistische Züge annimmt. Die Herausgeber_innen des Sammelbandes haben es sich zur Aufgabe gemacht, aus interdisziplinärer Perspektive der Frage nach dem europäischen Gemeinwohl nachzugehen. Schnell wird allerdings deutlich, dass sich diese Aufgabe wesentlich komplizierter gestaltet als man spontan annehmen könnte – beginnt die Schwierigkeit doch bereits mit der Definition dessen, was unter dem Begriff „Gemeinwohl“ gefasst werden kann. Reden wir dabei von einem Zustand, den ausnahmslos alle Mitglieder einer Gemeinschaft als wünschenswert erachten? Dies trifft bei einer genaueren Betrachtung nicht einmal auf so allgemeine Ziele wie Frieden, Wohlstand oder Sicherheit zu. Dementsprechend verlagern die meisten Autor_innen des Bandes ihre Argumentation auch schnell von inhaltlichen Zielsetzungen auf die institutionellen Rahmenbedingungen: „[T]he European political and juridical institutions are the truly European common good, not because everybody in fact prefers them, but because it is everybody's duty to realise them“ (Gerhard Seel, 41). Anders formuliert: Nur die Existenz und Anwendung von allgemein anerkannten und gewünschten Verhaltensregeln gewährleistet die Akzeptanz einer Maßnahme, selbst wenn diese den Einzelnen im konkreten Fall zugunsten anderer benachteiligt oder gar schädigt – Kant lässt grüßen! Ob eine solch abstrakte (regelbezogene) Definition eines europäischen Allgemeinwohls in Zeiten zunehmender Verteilungskämpfe einen realistischen Bezugspunkt darstellt, darüber lässt sich sicher streiten. Mindestens erfordert dies wohl (und darauf weisen mehrere Beiträge auch hin) den Ausbau zu einem wirklich föderalen europäischen Staat und damit verbunden eines europäischen Staatsvolkes. Solange dies nicht der Fall ist, wird eine klare Definition dessen, was ein europäisches Allgemeinwohl ausmacht, kaum möglich sein. Dennoch liefert der Band eine erste ausführliche Annäherung an die Thematik und zeigt diverse Spannungsfelder auf, in denen sich die Frage nach der Zukunft Europas bewegen wird und muss.
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Rubrizierung: 3.13.23.33.43.5 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Sonja Puntscher Riekmann / Alexander Somek / Doris Wydra (Hrsg.): Is there a European Common Good? Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38232-is-there-a-european-common-good_43916, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 43916 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken