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Rudolph Bauer / Holdger Platta (Hrsg.)

Kaltes Land. Gegen die Verrohung der Bundesrepublik. Für eine humane Demokratie

Hamburg: LAIKA Verlag 2012 (laika diskurs); 253 S.; 22,90 €; ISBN 978-3-942281-24-9
Braucht es noch ein Buch über Hartz IV? – Das fragen sich die Herausgeber Bauer und Platta selbst und antworten mit einem entschiedenen Ja. Als Grund nennen sie eine zunehmende Entmenschlichungstendenz in der Sozialpolitik, bei gleichzeitig steigender „Apathie der Betroffenen […] und Gleichgültigkeit der Nicht-Betroffenen“ (15). Mit einer Doppelstrategie aus rationaler Analyse und emphatischem Verstehen soll dieser Entwicklung entgegengetreten werden. Um deren drastische Tendenz provokativ zu verdeutlichen, wird im ersten Teil des Bandes zunächst eine historische Parallele zum Ende der Weimarer Republik gezogen. Nur so lässt sich die Entwicklung laut Bauer und Platta hin zum Kulminationspunkt Hartz IV richtig deuten. Dieser ist demnach Ausdruck der akuten Entmenschlichung und zeigt sich in Aspekten der Diskriminierung und Stigmatisierung (Volker Eick) ebenso wie in der systematischen Verschärfung auch nach der gesetzlichen Neuregelung (Christoph Butterwegge). Der zweite Teil ist dem emphatischen Vorhaben gewidmet und versammelt persönliche Schilderungen von Betroffenen über ihre Erfahrungen mit Willkür und Diskriminierung. Die beiden Perspektiven sollen im dritten Teil zu „Konzepte[n] für eine Wiedervermenschlichung“ (156) verarbeitet werden. Für diese sehen die Autoren und Autorinnen konkrete Ansatzpunkte, dazu zählen das Verhältnis von Menschenwürde und Existenzminimum im Hartz-IV-Regelsatz (Platta), eine gezielte Arbeitszeitverkürzung (Rainer Thiel, Frigga Haug und Jutta Meyer-Siebert) oder eine neue solidarische Wirtschaftsordnung, die direkt an den systemimmanenten Fehlern ansetzt (Norbert Bernholt). Schließlich werden die vielseitigen und doch einstimmigen Reflexionen an die konkrete Handlungspraxis angebunden. Anhand des Aufrufs „Demokratie statt Fiskalpakt“ soll dem europaweiten Ausbreiten des Hartz-IV-Gedankens entgegengetreten werden – dieser werde momentan als Erfolgsmodell verkauft und mit drastischen Sozialkürzungen und -einschnitten nach Griechenland oder Spanien exportiert. Die analytische Distanz müsse für das im Buch vertretene Unterfangen an manchen Stellen bewusst aufgegeben werden, denn, wie Stéphane Hessel in seinem Grußwort schon erwähnt: „Das Schlimmste ist die Gleichgültigkeit“ (11).
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.342 | 2.35 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Rudolph Bauer / Holdger Platta (Hrsg.): Kaltes Land. Hamburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35487-kaltes-land_42799, veröffentlicht am 27.09.2012. Buch-Nr.: 42799 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken