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Rahel Jaeggi / Daniel Loick (Hrsg.)

Karl Marx – Perspektiven der Gesellschaftskritik

Berlin: Akademie Verlag 2013 (Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Sonderband 34); 307 S.; 49,95 €; ISBN 978-3-05-006321-8
Was fehlt bei Marx? Und wohin kommen wir mit dem Marxismus? Solche oftmals rhetorischen Fragen, zumeist eher von den Gegnern marxistischer Gesellschaftsanalyse hervorgebracht – die impliziten Antworten heißen dort natürlich: alles oder nirgendwohin –, werden in diesem Sonderband der Deutschen Zeitschrift für Philosophie einmal von der anderen Seite gestellt: Gibt es vielleicht auch für einen sich als marxistisch, wahlweise revolutionär, immer aber zumindest progressiv definierenden akademischen und politischen Diskurs gute Gründe, Marx‘ Werk eher in den richtigen Kontext statt an die Spitze sozialer Bewegungen zu setzen? Ganz ähnlich, wie das Spiel um Schere‑Stein‑Papier eher zur Belustigung der Spieler denn zu fundierter Analyse der zur Frage stehenden Situation taugt, verhält es sich nämlich laut Rahel Jaeggi und Daniel Loick bisweilen mit dem Marx‘schen Tripel Philosophie‑Politik‑Ökonomie. Da das aber nicht das letzte Wort zu Marx gewesen sein kann, geht es um eine „systematische Reflexion dieser drei Begriffe und ihres Verhältnisses zueinander vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen“ (7). Tilman Reitz verpasst einer allzu geradlinigen politischen Rezeption von Marx gleich zu Beginn einen Dämpfer, der sitzt: „Man kann aus Marx‘ Texten eine Gesamtweltanschauung entwickeln. […] Damit holt man jedoch genau das nach, was Marx auch im Gebiet sozialer Parteinahme verweigert hat: Man macht ihn zum Philosophen.“ (24) Ähnlich Pessimistisches zieht Matthias Bohlender aus seiner Rekonstruktion von Marx‘ Verhältnis zum Frühsozialismus: „Die Formel, die das Geheimnis der kapitalistischen Produktionsweise preisgibt, ist nicht der kritische Hebel zur Befreiung des Proletariats. [...] Wer sie zum Maßstab ernennt, hat nichts in der Hand, um die Gesellschaft zu verändern.“ (119) Ein wenig versteckt in der Mitte des Bandes meldet auch Michael Heinrich erneut Bedenken über eine unmittelbar politische Kapitallektüre an: „In den gängigen Ausgaben besitzt keiner der drei Kapital‑Bände, auch nicht der erste, eine Textgestalt, die Marx jemals zu Gesicht bekommen hätte“ (124). Es gibt also mehr Baustellen als vollständige Streckenteile; natürlich vermisst man bei Marx auch die Analyse von Sexismen und Rassismen und auch der Hinweis, dass „Marx‘ Fokus auf die Arbeiterklasse […] universalisierend und zugleich ausschließend“ (249) ist, bleibt am Ende nicht aus. Doch was fehlt einem Band, der alle Fehler bei Marx gefunden hat?
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.335.42 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Rahel Jaeggi / Daniel Loick (Hrsg.): Karl Marx – Perspektiven der Gesellschaftskritik Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36829-karl-marx--perspektiven-der-gesellschaftskritik_45049, veröffentlicht am 06.03.2014. Buch-Nr.: 45049 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken