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Werner Hörtner

Kolumbien verstehen. Geschichte und Gegenwart eines zerrissenen Landes

Zürich: Rotpunktverlag 2006; 311 S.; brosch., 19,80 €; ISBN 978-3-85869-326-6
„Die Einsetzung der Gewalt als Instrument der politischen Auseinandersetzung hat in Kolumbien eine lange Tradition“ (59), schreibt der österreichische Journalist Hörtner. Und so nehmen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwangsläufig einen wesentlichen Teil seiner Beschreibung des Landes ein. Hörtner erklärt die Genese der politisch motivierten Gewalt und deren gegenwärtige Funktion. Dabei zeigt sich, dass nicht nur die Guerillabewegungen eine permanente Bedrohung von Staat und Gesellschaft darstellen, sondern vor allem die vom Staat geduldeten und geförderten paramilitärischen Einheiten. Eindrucksvoll und überaus kenntnisreich beschreibt Hörtner, wie diese Einheiten vorgehen, von der Ermordung (vermeintlich) politischer Gegner bis zur Steuerung des gesamten kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in den von ihnen beherrschten Gebieten. Die Schwäche des kolumbianischen Staates erklärt er aus dessen Verflechtungen mit den Paramilitärs, wobei es keineswegs immer nur um die Politik im engeren Sinne geht. „Allgemein zusammengefasst kann man sagen, dass es sich um den Versuch staatlicher und wirtschaftlicher Kreise handelt, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen, um dadurch jeglichen Widerstand gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik und gegen die spezifischen Wirtschaftsinteressen zu verhindern.“ (257) Kolumbien sei das Land, in dem am meisten Menschen wegen ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten bedroht und ermordet würden. Außerdem würden fortwährend die Landrechte von Minderheiten verletzt. Als Folge seien geschätzte 3,5 Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen geworden, also acht Prozent der Bevölkerung. Die Gesetze zur Demobilisierung der Paramilitärs seien untauglich, den inneren Frieden herzustellen: Vorgesehen seien Straflosigkeit, keine Rückgabe widerrechtlich erworbener Güter und die Legalisierung von Drogengeldern. Auch sehe der Friedensprozess keinerlei Mechanismen zur Wahrheitsfindung vor. Wenigstens kann der Autor auch eine lebendige Zivilgesellschaft beschreiben, die nicht aufgegeben hat und sich mit gewaltfreien Aktionen zu schützen versucht.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.2 | 2.21 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Werner Hörtner: Kolumbien verstehen. Zürich: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26803-kolumbien-verstehen_31270, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 31270 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken