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Jenny Preunkert / Georg Vobruba (Hrsg.)

Krise und Integration. Gesellschaftsbildung in der Eurokrise

Wiesbaden: Springer VS 2015 (Europa – Politik – Gesellschaft); XIII, 234 S.; 26,99 €; ISBN 978-3-658-09230-6
Bei dem Versuch, die aktuellen Euro‑Kriseninterpretationen zusammenzufassen, ergeben sich tendenziell zwei Standpunkte. Der eine lautet, dass die Krisenlösungen Konflikte hervorgebracht haben, sodass eine vertiefte politische Integration vorerst gehemmt und mehr Subsidiarität gefordert ist. Der Grundtenor dieses Buches ist jedoch, die Krise und insbesondere ihre Lösungsmechanismen als Chance für eine vertiefte politische – meist im Sinne institutioneller – Integration zu interpretieren. Georg Vobruba sieht darin sogar die Möglichkeit einer europäischen Gesellschaftsbildung einerseits sowie einen Kompetenzzuwachs der vor allem exekutiven EU‑Institutionen andererseits, um schnelle Lösungen zu erlangen. Dorothee Riese ergänzt dies in ihrem Beitrag um den eher selten untersuchten Aspekt der Geheimhaltung, der beispielsweise bei Entscheidungsprozessen des ESM erfolgreich war. Überhaupt zeichnet sich das Buch trotz einer inhaltlich vielseitigen Betrachtung des Integrationsprozesses während der Euro‑Krise durch eine lebhafte Verbindung und Bezugnahme der einzelnen Beiträge aus. So sieht Jenny Preunkert zwar einerseits nie dagewesene europäische Verantwortungsstrukturen bezüglich wirtschaftlicher Akteure, was Maurizio Bach wiederum als asymmetrische institutionelle Überintegration und sogar als eine Krisenursache begreift. Anderseits bleiben die immensen sozialen Probleme der Defizitländer weitestgehend im Zuständigkeitsbereich eben dieser Nationalstaaten, was Thilo Fehmel vehement ablehnt. Für ihn entgrenzen sich soziale Problemlagen in dem Sinne, dass „soziale Integration durch sozialen Konflikt“ (184) zu transnationaler Vergesellschaftung führt. Auf diese Weise entsteht bei der Lektüre eher das Gefühl, eine auf höchstem Niveau ausgetragene Diskussion zwischen Experten zu verfolgen als einen typischen Sammelband zu lesen. Einzig eine Argumentationslinie muss kritisch betrachtet werden: Die Herausgeber sprechen im Vorwort das gewachsene Demokratiedefizit an, betonen aber gleichzeitig die gesellschaftsstiftende Funktion von Konflikten. Dabei darf nicht der gegenläufige Prozess der Ablehnung der EU verschwiegen werden, der sich in vielen Ländern auch parteipolitisch zeigt. Die Lösung der Herausgeber lautet „nachholende Demokratisierung“, was ohne Zweifel notwendig ist, aber (zu) institutionssoziologisch determiniert ist. Bürgernähe, Solidarität und weitere handlungssoziologische Aspekte müssen auch Beachtung finden.
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Rubrizierung: 3.53.22.331 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Jenny Preunkert / Georg Vobruba (Hrsg.): Krise und Integration. Wiesbaden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38910-krise-und-integration_47591, veröffentlicht am 24.09.2015. Buch-Nr.: 47591 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken