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Klaus-Jürgen Bruder / Christoph Bialluch / Bernd Leuterer (Hrsg.)

Macht – Kontrolle – Evidenz. Psychologische Praxis und Theorie in den gesellschaftlichen Veränderungen. Eine Publikation der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP)

Gießen: Psychosozial-Verlag 2012 (Subjektivität und Postmoderne); 455 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-8379-2168-7
Der Band dokumentiert einen Fachkongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) aus dem Jahr 2011. Ausgangspunkt der Tagung waren die gegenwärtigen multiplen gesellschaftlichen Krisen‑ und Prekarisierungsprozesse und darauf aufbauend die Frage, welche Rolle die Psychologie im Rahmen dieser Veränderungen spielt beziehungsweise spielen sollte. Klaus‑Jürgen Bruder legt dazu einleitend dar, wie die Psychologie faktisch als Legitimations‑ und Verschleierungselement politökonomischer Veränderungen dient: Der politisch hergestellte „Krieg gegen die Bevölkerung“ (19) – darunter werden beispielsweise Prozesse wie Intensivierung der Arbeit, Individualisierung, Unsicherheit und Prekarisierung verstanden – sei auch deswegen politisch durchsetzbar, weil die Bearbeitung der gesundheitlichen Folgen dieser „sozialen Krankheitsherde“ (21) auf die Psychologie abgeschoben und die sozio‑politischen Rahmenbedingungen und Ursachen der genannten Entwicklungen damit verdeckt würden. Problematisch sei dies nicht allein aus Sicht der Individuen, denen die alleinige Verantwortung für psychosomatische Erkrankungen zugeschanzt werde, sondern gleichermaßen für die Psychologie selbst. Unterstützt durch offiziell vorgegebene und permanent kontrollierte Qualitätsstandards der psychologischen Behandlung habe sich eine Trennung von Psychologie und Soziologie durchgesetzt: Der Zuständigkeitsbereich der Psychologie sei auf den Bereich der Bearbeitung individueller Probleme reduziert worden, die gesellschaftlichen Ursachen würden ausgeblendet. Dies erschwere zum einen für die Psycholog_innen eine kritische Reflexion der sozialen Rahmenbedingungen und somit zum anderen auch eine umfassende Behandlung der Patient_innen. Was dies im Einzelnen bedeutet, diskutieren die Autor_innen des Bandes am Beispiel zahlreicher gesellschaftlich relevanter Themen, unter anderem Gesundheitspolitik, Arbeitslosigkeit und Prekarität, Einwanderung oder Fremdenfeindlichkeit. Deutlich wird vor allem auch die gewichtige Rolle der Massenmedien in diesem Prozess der Individualisierung von Verantwortung. Das Buch ist indessen nicht in erster Linie eine Selbstbeschreibung der Psychologie. Vielmehr steht die Frage im Zentrum, wie, in wessen Interesse und unter wessen Kontrolle gesellschaftliche Veränderungsprozesse ablaufen. Insofern stellt der Band eine Einladung an Forschende aus der Psychologie, Politikwissenschaft und Soziologie dar, den Gegenstandsbereich ihrer eigenen Disziplin kritisch zu reflektieren.
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Rubrizierung: 1.3 | 2.2 | 2.22 | 2.35 | 2.342 | 2.343 | 3.4 | 5.43 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Klaus-Jürgen Bruder / Christoph Bialluch / Bernd Leuterer (Hrsg.): Macht – Kontrolle – Evidenz. Gießen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37072-macht--kontrolle--evidenz_43138, veröffentlicht am 15.05.2014. Buch-Nr.: 43138 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken