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Barbara Könczöl

Märtyrer des Sozialismus. Die SED und das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2008; 361 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-593-38747-5
Politikwiss. Diss. Leipzig; Gutachter: S. Meuschel, M. Wohlrab-Sahr, M. Sabrow. – Die SED war nicht durch eine Revolution an die Macht gekommen, sondern musste von der sowjetischen Besatzungsmacht gestützt werden, außerdem waren utopische Visionen nach Kriegsende nicht mehr gefragt und der Eintritt in die Zukunft des Sozialismus nicht genau zu datieren – also musste sich die Partei erst einmal „eine brauchbare Vergangenheit selbst erfinden“ (198). Neben den Antifaschismus als Gründungsmythos der DDR geriet damit das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in den Mittelpunkt, die nach ihrer Ermordung in der Weimarer Republik von den Kommunisten als Märtyrer verehrt worden waren – ihr gewaltsamer Tod war rasch in ein Opfer für die revolutionäre Arbeiterklasse umgedeutet worden. Könczöl schildert, wie die SED diese Tradition wiederaufleben ließ und sich mit dem Bau einer zentralen Gedenkstätte (die sich nicht am Ort der Gräber, sondern an einer besser erreichbareren Stelle befand und befindet) selbst sakralisierte. Die Autorin greift damit die Erklärungsansätze von Emilio Gentile zur politischen Religion als einen Aspekt der Sakralisierung von Politik auf, wobei die theoretische Unterfütterung der Arbeit keinen sonderlich breiten Raum einnimmt. Könczöl stellt vielmehr die Beschreibung des Gedenkens als eine die Diktatur legitimierende Tradition in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Herausgearbeitet wird dabei unter anderem, dass gerade Luxemburg gar nicht zur leninistisch-stalinistischen Ideologie der SED passte, die denn auch versuchte, Person und Werk zu trennen. Nichts sollte nach Erkenntnis der Autorin das Ideengebäude, mit der die SED die Welt vollständig zu erklären versuchte, stören. Die vollständigen Schriften Luxemburgs erschienen deshalb erst in den 70er-Jahren in der DDR. Könczöl beschreibt die jährlichen Demonstrationszüge als wiederkehrende Begräbniszüge. Dieser Totenkult aber verlor an ideeller Integrationskraft, die Deutungshoheit der SED schwand – bis zur Aneignung des luxemburgischen Ausspruchs „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ durch Oppositionelle auf der Demonstration im Januar 1988.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Barbara Könczöl: Märtyrer des Sozialismus. Frankfurt a. M./New York: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29877-maertyrer-des-sozialismus_35395, veröffentlicht am 20.01.2009. Buch-Nr.: 35395 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken