Martha Nussbaum und das gute Leben. Der "Capabilities Approach" auf dem Prüfstand
Diss. Hochschule für Philosophie München; Begutachtung: M. Bordt SJ. – Die Dissertation bietet eine inhaltlich solide, wenngleich etwas langatmige und bisweilen nachlässig formulierte Darlegung zunächst der Theorie Martha Nussbaums. Es folgen kritische Einwände gegen ihr Konzept und abschließend eine Einordnung in die ethischen Theorien vom guten Leben. Demzufolge habe Nussbaum zwar eine (sozialethische) Vorstellung des guten Lebens entwickelt, indem sie die Fähigkeiten aufliste, die gegeben sein müssten, damit Menschen ein gutes Leben führen könnten. Aber eine (individualethische) Theorie vom guten Leben werde von ihr gerade nicht entfaltet, hier bleibe sie dem liberalen Ansatz verpflichtet, wonach die persönliche Lebensführung frei bleiben müsse von dirigistischen Vorschriften. Die Liste der Fähigkeiten formuliere keine moralischen Gebote für den Einzelnen, sondern stehe dafür ein, wie politische und gesellschaftliche Maßnahmen diese Freiheit ermöglichten oder den „Freiheitsgrad der Menschen erhöhen“ (179) könnten. Daher laufe der Vorwurf des Paternalismus ins Leere. Von Nussbaum her könne sogar kritisch zurückgefragt werden, ob sich nicht hinter diesem Vorwurf ein konservatives Beharren auf hierarchischen (und insofern erst recht paternalistischen) Strukturen verstecke. Zur Plausibilisierung verweist Johannes Nathschläger auf die konkrete Arbeit Nussbaums mit indischen Frauen: Wer gegen die (staatlich geförderte) Ausbildung dieser Frauen protestiere und sie als paternalistischen Zwang diffamiere, befestige nur die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Die Stärke dieser Arbeit liegt darin, dass solche Bezüge zur politischen Praxis gezogen werden, nicht nur zur Arbeit Nussbaums, sondern auch mit Blick auf die Verhältnisse in Deutschland. So wird die Liste der Fähigkeiten eingehend kommentiert und jeweils geprüft, inwiefern diese Forderungen gegenwärtig bei uns umgesetzt werden.