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Ulrich Brand / Alex Demirović / Christoph Görg / Joachim Hirsch (Hrsg.)

Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates

Münster: Westfälisches Dampfboot 2001; 182 S.; 15,29 €; ISBN 3-89691-493-6
Unter dem Eindruck der Globalisierung und der damit scheinbar verbundenen Erosion des Nationalstaates sollen neue Formen der Politikformulierung und ‑umsetzung die "Zivilisierung des Kapitalismus" erreichen helfen. Theoretische Ansätze wie die "neue Weltordnungspolitik", "Weltstrukturpolitik" oder "Global Governance", aber auch Teile der Programmatik der rotgrünen Bundesregierung zielen auf entsprechende problemadäquatere Formen von Politik. Den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kommt dabei als Teil der zivilen Komponente dieser Konzepte eine zentrale Rolle zu. In der mittlerweile umfangreichen Literatur zur Wirkung und Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen überwiegt die Sichtweise, ihre Ausbreitung sei Bestandteil einer im Entstehen begriffenen "internationalen Zivilgesellschaft", die zu transparenteren und demokratischeren Abläufen politischer Prozesse beitragen wird. Im Gegensatz dazu sehen die Autoren dieses Sammelbandes Nichtregierungsorganisationen eher als Ausdruck einer mit der neoliberalen Globalisierung einhergehenden Internationalisierung des Staates. Grundlage dafür bildet eine Analyse, welche die gegenwärtigen Umbruchprozesse kapitalistischer Gesellschaften aus einer staats‑ und gesellschaftstheoretischen Perspektive betrachtet. Auch wenn mittlerweile klar sei, dass der Staat als Strukturprinzip kapitalistischer Gesellschaften nicht einfach verschwinde, "läßt er sich immer weniger von seiner Rolle her begreifen, die er in nationalen Gesellschaften bei der herrschaftsförmigen Stabilisierung sozialer Verhältnisse spielt" (9). Im Ergebnis von fünf Arbeitstagungen, die seit 1996 stattgefunden haben, stellen die Autoren die verschiedenen Aspekte einer zunehmenden Verwischung der Grenzen zwischen Staat und NGOs dar. Das in den letzten Jahren verstärkte Auftreten der NGOs ist demnach eine direkte Folge der "postfordistischen‑neoliberalen Restrukturierung der Staaten und des Staatensystems" (33). NGOs sind in diesem Verständnis weniger eigenständige und gegenstaatliche Akteure, als vielmehr Bestandteil des so genannten "erweiterten Staates". Dieser steht heute in vielfältiger Weise unter Legitimationsdruck. Das potenzielle Spannungsverhältnis zwischen privaten und staatlichen Interessen löst sich indes auf, wenn NGOs, z. B. durch Unterstützung und Sekundierung von politischen Ersatzhandlungen, zur Überwindung staatlicher Legitimationsdefizite beitragen. Diese beobachtete Gegenseitigkeit stützt die These, dass die Privatisierung des Staates mit der Staatswerdung von NGOs korrespondiert. Schließlich werden auch die demokratietheoretischen Konsequenzen des Wirkens von NGOs ausführlich beleuchtet. Inhalt: Joachim Hirsch: Des Staates neue Kleider. NGO im Prozess der Internationalisierung des Staates (13‑42); Roland Roth: NGO und transnationale soziale Bewegungen: Akteure einer "Weltzivilgesellschaft"? (43‑63); Christoph Görg / Ulrich Brand: Postfordistische Naturverhältnisse. NGO und Staat in der Biodiversitätspolitik (65‑93); Thomas Gebauer: "... von niemanden gewählt!" Über die demokratische Legitimation von NGO (95‑119); Peter Wahl: "Sie küßten und sie schlugen sich" ‑ Zum Verhältnis von NGO und internationalen Regierungsorganisationen (121‑139); Alex Demirovic: NGO, Staat und Zivilgesellschaft. Zur Transformation von Hegemonie (141‑168).
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Rubrizierung: 4.3 Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Ulrich Brand / Alex Demirović / Christoph Görg / Joachim Hirsch (Hrsg.): Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates Münster: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13979-nichtregierungsorganisationen-in-der-transformation-des-staates_16754, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16754 Rezension drucken