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Marie-Theres Norpoth

Norm und Wirklichkeit. Staat und Verfassung im Werk Ernst Rudolf Hubers

Hamburg: Lit 1998 (Politikwissenschaft 49); VI, 443 S.; brosch., 89,90 DM; ISBN 3-8258-3705-X
Politikwiss. Diss. Essen; Erstgutachter: W. Horn. - Im Titel ist bereits angedeutet, unter welchen Gesichtspunkten diese Werkdarstellung des Verfassungsrechtlers betrachtet wird. Es geht der Autorin um die Beziehungen zwischen Recht und politischer und sozialer Wirklichkeit, wie sie sich in den Arbeiten Hubers in der Weimarer Republik, unter dem Nationalsozialismus und in der frühen Bundesrepublik widerspiegeln. (Die monumentale Deutsche Verfassungsgeschichte wird dabei nicht mehr berücksichtigt.) Ins Zentrum ihrer Analysen stellt sie dabei den Antipluralismus, der sich vor allem in der prinzipiellen Ablehnung gegenüber der Einflußnahme wirtschaftlicher und sozialer Gruppen auf die Wirtschaftsverfassung durch sein umfangreiches Werk hindurchzieht. "Somit ist Huber - bei Variationen im einzelnen - seiner Grundidee des eigenständigen, metaphysisch legitimierten, oberhalb der gesellschaftlichen Gruppen neutralen Staates durch die drei jüngeren Epochen deutscher Staatlichkeit hindurch treu geblieben." (378) Warum jedoch dieses "Ideal eines überhöhten Staates [...] von der Verschmelzung von Idee und Wirklichkeit, von Sollen und Sein, von Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit" (389) ausgeht, bleibt eine offene Frage, wo doch die Autorin selbst deutlich herausarbeitet, daß Hubers Rechtstheorie gerade bei der Diskrepanz zwischen Norm und Wirklichkeit ansetzt, welche dann - jeweils zugunsten der Interessen des Bürgertums - in der einen oder anderen Richtung aufgelöst werden sollen. Wünschenswert wäre auf jeden Fall eine deutlich kritischere Perspektive gewesen. Hubers Ausführungen werden zwar immanent auf Unstimmigkeiten untersucht und allein deshalb als nicht adäquat für eine moderne Industriegesellschaft erkannt; darüber hinausgehend finden sich jedoch praktisch keine Gedanken über die politischen Auswirkungen eines solchen Verfassungsverständnisses. Konsequenzen wie die faktische Abschaffung individueller Freiheitsrechte oder die Unvereinbarkeit mit einer parlamentarischen Demokratie werden lediglich konstatiert, nicht aber in der Beurteilung berücksichtigt.
Markus Lang (ML)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Markus Lang, Rezension zu: Marie-Theres Norpoth: Norm und Wirklichkeit. Hamburg: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/7832-norm-und-wirklichkeit_10383, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 10383 Rezension drucken