Ausgangspunkt dieser politikgeschichtlichen Untersuchung ist der Regierungsantritt de Gaulles im Jahr 1958 und dessen erhebliche Ausstrahlung auf die politischen Kreise in den Nachbarländern Frankreichs, vor allem in die der Bundesrepublik. Damit rückt der Autor von der geläufigen, rückblickenden Bewertung der Ära und der Persönlichkeit de Gaulles in der Bundesrepublik ab, wie sie zumal die Darstellung des "besonderen Verhältnisses" von de Gaulle und Konrad Adenauer sowie dessen Bedeutung für die französisch-deutsche "Aussöhnung" symbolisiert. Respekt und Bewunderung, mit denen die historische Bedeutung de Gaulles von bundesdeutschen Politikern in den siebziger und achtziger Jahren zunehmend gewürdigt worden ist, stehen, so zeigt die Untersuchung, einer anfänglich vorherrschenden Mischung aus Skepsis und erheblichen Befürchtungen quer durch die politischen Lager in Bonn gegenüber, markieren damit einen bemerkenswerten Wandel des de Gaulle-Bildes, den der Autor zu rekonstruieren versucht. Er beschränkt sich dafür auf die innerparteilichen Debatten und den allmählich spürbaren Meinungswandel in den beiden westdeutschen "Volksparteien". Anhand intensiver Studien in den verschiedenen Archiven der Parteien und parteinahen Stiftungen sowie unter Heranziehung der teilweise umfangreichen unveröffentlichten Nachlässe führender Politiker der Zeit (zu nennen sind v. a. von Brentano, Blankenhorn und Freiherr von Guttenberg für die CDU/CSU, Brandt, Erler und Helmut Schmidt für die SPD) rekonstruiert Marcowitz die frankreichpolitische Debatte der sechziger Jahre als eines der beiden zentralen außenpolitischen Spannungsfelder neben der Amerikapolitik. Zusammenfassend kommt er zu dem Schluß, daß die Europa- und Verteidigungspolitik de Gaulles aller postumen Würdigung zum Trotz von den führenden Partei- und Regierungspolitikern in CDU/CSU und SPD bis in die große Koalition hinein in ihren Möglichkeiten und Zielen nur unzureichend verstanden und aufgegriffen worden sei.