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Lars Allolio-Näcke

Ostdeutsche Frauen haben (k)eine Chance. Doing Identity 15 Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2007 (Feminat 14); 312, XXVI S.; 58,- €; ISBN 978-3-8300-2682-2
Diss. Erlangen-Nürnberg; Gutachter: S. Shimada, H. Werbik. – „Nicht aus einer ‚transzendenten’ wissenschaftlichen Position, sondern aus einer persönlichen Erfahrung heraus“ (18) hat sich der Autor mit dem Themenkomplex Biografie, Alltagswissen, Geschlecht, Macht und kollektive Identitätsbildung beschäftigt. Dabei konnte er auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen, die er in einer „quasi Feldstudie“ (18) von seinem Wohnsitz in Halle/Saale machte: Er erlebte, wie Frauen zunehmend zu den Verliererinnen der Einheit wurden, da sie aus dem produzierenden Gewerbe verdrängt wurden und schließlich in die (Langzeit-) Arbeitslosigkeit gerieten. Da nach Auffassung des Autors bisherige Identitätskonzepte und theoretische Rollenmodelle nicht ausreichen, um die deutsch-deutschen Erfahrungen der Wiedervereinigung zu erfassen, präsentiert er eine kulturpsychologische Neukonzeption des Identitätskonzeptes. Dieses zielt darauf ab, keineswegs gleichbleibend oder stabil, sondern in sich komplex und wechselhaft in Abhängigkeit zu den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen zu sein. Nach 15 Jahren könne also noch immer von einer Identitätssuche der Ostdeutschen ausgegangen werden, was sich besonders in der Herausbildung weiblicher Identitätsmuster nachweisen lasse. Frauen falle die Identitätsfindung, so die These, nach 15 Jahren Einheit zwischen „Rabenmutter“, Vollzeitbeschäftigten und der nachträglich entmündigten, pathologisierten und mehrfach belasteten Ostfrau noch immer schwer(er). Verdeutlicht werden die zunächst theoretisch abstrahierten Annahmen über Identitätskonstruktionen im diskursiven Geschehen in den Aussagen des mit einer ostdeutschen Frau geführten qualitativen Interviews. Obgleich das Buch manchmal zu sehr von dem gewollt offen reflektierten persönlichen Duktus und Erfahrungshorizont beeinflusst wird, dient es dennoch als empfehlenswerte Ergänzung allgemeiner kulturpsychologischer Identitätstheorien und den Gender Studies als weitere Studie zur sozialen und historischen Konstruktion von Geschlechterverhältnissen.
Eva Voß (EV)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
Rubrizierung: 2.36 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Eva Voß, Rezension zu: Lars Allolio-Näcke: Ostdeutsche Frauen haben (k)eine Chance. Hamburg: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26975-ostdeutsche-frauen-haben-keine-chance_31482, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 31482 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken