„Politische Ethik ist Bestandteil der Politik und muss daher eine zivile Ethik, genauer gesagt, eine Ethik der Zivilisation sein.“ (7) Ihr Gegenstand sind Normen, ihr Objekt das Gesollte. Um dieses Objekt zu strukturieren, gehen die Autoren – Politikwissenschaftler an der Universität Göttingen – induktiv vor. Im Mittelpunkt stehen deshalb konkrete Problemfälle, insgesamt 22 werden erörtert. Das gibt dem Band nicht nur eine thematische Vielschichtigkeit, sondern diskutiert das Gesollte auch in einem breiten Spektrum. Das Problem der Wahrheit – Konrad Adenauer differenzierte einmal in eine einfache, reine oder lautere Wahrheit – stellt sich besonders multiperspektivisch in Untersuchungsausschüssen. Ein anderes drastisches Beispiel ist das Gewissensproblem in prekären Parlamentssituationen; man denke etwa an die Ministerpräsidentenwahl in Hessen im Jahr 2008, bei der vier Landtagsmitglieder der stärksten Fraktion ihre Zustimmung versagten, womit die angestrebte Regierungsbildung unmöglich wurde. Wertrationalität stand damit gegen Sachrationalität. Der Konflikt steuerte „mit unerbittlicher Konsequenz auf die gemeinsame Katastrophe zu“, schreiben die Autoren und folgern hieraus: „Es ist unklug, eine praktisch‑politische Entscheidung so zuzuspitzen, dass einer Minderheit nur der Rückzug auf das eigene Gewissen bleibt. Das Gewissen ist eher für das Binnenverhältnis der Person als für das Außenverhältnis des Politikers eine geeignete Appellationsinstanz.“ (101) Orientierungen bietet die politische Ethik dabei eine ganze Reihe: etwa an der Idee des guten Lebens, am Prinzip Verantwortung, an Normensystemen oder an den medialen Gepflogenheiten. Walter Reese‑Schäfer und Christian Mönter haben dazu höchst anregende Fallanalysen und Synthesegedanken vorgelegt.