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Sabine Lang

Politische Öffentlichkeit im modernen Staat. Eine bürgerliche Institution zwischen Demokratisierung und Disziplinierung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2001 (Nomos Universitätsschriften: Politik/Leipziger Schriften zur Gesellschaftswissenschaft 7); 311 S.; brosch., 51,- €; ISBN 3-7890-7094-7
Politikwiss. Diss. Leipzig. - Für die theoretische Konzeptualisierung der politischen Funktion von Öffentlichkeit hat - wenigstens im deutschsprachigen Raum - Habermas' frühe Studie zum "Strukturwandel der Öffentlichkeit" (1962) sowohl unter normativen wie unter empirischen Aspekten immer noch grundlegende Bedeutung. Die Autorin möchte, dem Ansatz einer "historischen Politikwissenschaft" folgend (35 f.), in Auseinandersetzung mit der Analyse von Habermas "Ansatzpunkte einer revidierten Theorie politischer Öffentlichkeit" (270) aufzeigen. Ausgehend von der These, dass wir heute mit einer "gleichzeitigen quantitativen Ausdehnung, Verherrschaftlichung und qualitativen Sklerotisierung von Öffentlichkeit" (16) konfrontiert seien, soll die Arbeit den Widerspruch "zwischen der seit Ende des 18. Jahrhunderts intendierten Etablierung von Öffentlichkeit als Instrument und Ort demokratischer Teilhabe [...] und ihrer heutigen Tendenz, Beteiligung zuvörderst zu simulieren und politisch Passivität zu verstärken", erklären (23). In historisch-genetischer Perspektive wählt Lang die Etablierung liberaldemokratischer oder oppositioneller Presseerzeugnisse in Württemberg während der drei Phasen von Vormärz, Revolution und Restauration des 19. Jahrhunderts als Analysefeld. Ihrer kritisch gegen Habermas gerichteten Prämisse folgend, dass die Bildung von Öffentlichkeit nicht primär der Leistung einer bürgerlichen Elite zugeschrieben werden dürfe, konzentriert sie sich empirisch auf historisch umkämpfte Randbezirke politischer Öffentlichkeit primär in Gestalt dreier oppositioneller Zeitungsprojekte ("Der Hochwächter", "Der Beobachter", "Der Eulenspiegel"). An diesem Material lasse sich zeigen - so der zentrale Befund - dass die historische Institutionalisierung von Öffentlichkeit als bürgerliches, ökonomisches und staatliches Vergesellschaftungsprojekt interpretiert werden müsse, das Interessen von Unterschichten ebenso marginalisierte wie die von Frauen. Die Arbeit schließt mit anregenden, wenn auch sehr allgemein bleibenden Schlussfolgerungen für eine "Theorie politischer Öffentlichkeit als Herrschafts- und als Demokratietheorie" (261 ff.). Inhaltsübersicht: 2. Methode und Materialien für eine historische Politologie von Öffentlichkeit; 3. Die Entstehung politischer Öffentlichkeit in Württemberg: Konstitutions- und Rahmenbedingungen; 4. Grenzkontrolle: Auseinandersetzungen um das staatliche Monopol auf Öffentlichkeit vor 1830; 5. Grenzkonflikte: Produktion neuer Öffentlichkeiten und staatliche Modernisierung 1830-1848; 6. Grenzbefriedung: Radikalisierung und Einfriedung politischer Öffentlichkeit 1848/49-1864; 7. Zwischenergebnis II: Demokratisierung und Disziplinierung politischer Öffentlichkeit; 8. Grenzverläufe: Verbürgerlichung im Männerbund; 9. Schlußfolgerungen für eine Theorie politischer Öffentlichkeit.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22 | 5.42 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Sabine Lang: Politische Öffentlichkeit im modernen Staat. Baden-Baden: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/16223-politische-oeffentlichkeit-im-modernen-staat_18606, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 18606 Rezension drucken