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Friso Wielenga / Florian Hartleb (Hrsg.)

Populismus in der modernen Demokratie. Die Niederlande und Deutschland im Vergleich

Münster u. a.: Waxmann Verlag 2011; 244 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 978-3-8309-2444-9
Zur Analyse der Entstehungsbedingungen und der Entwicklung populistischer Bewegungen ist der Vergleich zwischen Deutschland und den Niederlanden besonders geeignet: Beide Länder zeichnen sich durch institutionelle Parallelen aus, die z. B. den Korporatismus in einzelnen Politikfeldern, die konsensdemokratische Verfasstheit des Regierungssystems oder die öffentlichen Debatten zur Ausländer- und Integrationspolitik betreffen. Gleichzeitig treten jedoch auch erstaunliche Unterschiede auf. Während beispielsweise Gert Wilders Freiheitspartei in den Niederlanden einen bedeutenden, die Regierung stützenden Faktor darstellt, konnte der Rechtspopulismus bzw. Rechtsextremismus in Deutschland bislang nur auf Länderebene Erfolge verbuchen. Die Herausgeber stellen fest, „dass die Umbrüche im Parteiensystem in den Niederlanden nicht nur früher eingesetzt haben, sondern auch heftiger ausfallen“ (7). Es liegt wohl in der Natur von Sammelbänden, dass die skizzierte Vergleichsebene nicht stringent durchgehalten wird. Positiv hervorzuheben ist die durchweg verständliche Lesbarkeit, die das Buch auch über das Fachpublikum hinaus attraktiv macht. Es dominiert zudem eine differenzierende Perspektive, die den Populismus nicht nur als Krisensymptom, sondern auch als möglicherweise positiv wirkende Krisenreaktion auffasst. Das hebt die Beiträge wohltuend von der populären Literatur zum Thema ab. Zudem werden praktische Vorschläge zur Eindämmung der negativen Wirkungsweisen des Populismus unterbreitet. Die Ansichten der Autoren hierzu divergieren. So plädiert Frank Decker für eine verstärkte Einführung plebiszitärer Elemente, die seines Erachtens einen mäßigend-sachorientierten Effekt entfalten können. Für Florian Hartleb hingegen „eröffnen Volksentscheide auch die Möglichkeit, latente Vorurteile demagogisch aufzuheizen und dann durch demokratischen Mehrheitsbeschluss scheinbar legitimieren zu lassen“ (125). Er sieht die westeuropäischen Demokratien auf dem Weg hin zum Typus der „leader democracy“, wobei der Ausgang hinsichtlich einer Stärkung oder Schwächung des populistischen Moments offen sei. René Cuperus kommt in Bezug auf die Niederlande zu dem Schluss, dass ein „neuer Sozialpakt zwischen den Privilegierten und den verletzlichen Nicht-Privilegierten [...] eine Antwort auf den Populismus sein“ (178) könne. Gemeint sind die Aufrechterhaltung des Sozialstaats und die Verstärkung der kulturellen Offenheit nationaler Demokratien. Gerade die skizzierten unterschiedlichen Perspektiven und Lösungsansätze machen den Band zu einer lohnenswerten Lektüre.
Markus Linden (LIN)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, SFB 600 - Teilprojekt C7 "Die politische Repräsentation von Fremden und Armen", Universität Trier.
Rubrizierung: 2.222.331 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Friso Wielenga / Florian Hartleb (Hrsg.): Populismus in der modernen Demokratie. Münster u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33714-populismus-in-der-modernen-demokratie_40379, veröffentlicht am 29.09.2011. Buch-Nr.: 40379 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken