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Jürgen Volkert

Soziale Dienste und Umverteilung in Deutschland

Berlin: Duncker & Humblot 1999 (Sozialpolitische Schriften 79); 290 S.; 118,- DM; ISBN 3-428-09432-8
Die Studie ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Gutachtens des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), das - mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft - unter dem Titel "Fehlsteuerungen der Umverteilungspolitik in Deutschland und Ansätze für eine Neuordnung" erstellt worden ist. Nach einer hauptsächlich ordnungspolitisch ausgerichteten Darstellung von Prinzipien (20 ff.), Angebotsformen (37 ff.) und Anreizmechanismen (102 ff.) redistributiver Maßnahmen befaßt sich das Gutachten ausführlich mit einer Bestandsaufnahme faktischer Umverteilungseffekte sozialpolitischer Leistungen (130 ff.). Als wesentliche Defizite der derzeitigen Umverteilungspolitik gelten unsystematische Expansion der Ausgaben, Streuverluste und administrative Ineffizienzen, die mehr und mehr eine angemessene Berücksichtigung bedürftiger Gruppen (in erster Linie: Alleinerziehende und kinderreiche Familien, Sozialhilfeempfänger, Behinderte, Obdachlose) verhindern (211 ff.). Diese Zielverfehlungen beruhen - so argumentieren die Verfasser unter ausdrücklichem Bezug auf den konzeptionellen Ansatz der Neuen Politischen Ökonomie - primär auf der "verbandlich organisierte[n] Privilegierung von durchaus produktiven Nicht-Bedürftigen mit Hilfe von Subventionen, Steuererleichterungen etc." (215). Als prägnante verteilungspolitische These ergibt sich in dieser Perspektive, "daß der ideologisch häufig unterstellte Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Einkommensegalisierung auch empirisch nicht nachzuweisen ist" (217). Möglichkeiten einer Umsteuerung werden u. a. an einer Stärkung des Wettbewerbs zwischen kommerziellen und gemeinnützigen Dienstleistern, einer Unterstützung von Selbsthilfegruppen und dem Modell einer negativen Einkommenssteuer diskutiert (218 ff.). Inhaltsübersicht: A. Einführung: I. Problemstellung: Expansion der Umverteilung bei gleichzeitig auftretenden Sicherungsdefiziten. B. Zielsetzungen und Prinzipien einer systematischen Umverteilungspolitik; C. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb: Ursache und Voraussetzung redistributiver Maßnahmen: I. Die redistributionspolitische Bedeutung marktwirtschaftlicher Steuerung in quantitativer und qualitativer Hinsicht; II. Ordnungspolitische Defizite: Ursachen für das Entstehen und die Verfestigung sozialpolitischer Defizite; III. Die Notwendigkeit gestaltender Ordnungspolitik; IV. Allgemeine Grenzen des Marktwettbewerbs: Anlaß für redistributive Korrekturen außerhalb des Marktes. D. Möglichkeiten und Grenzen nichtstaatlicher Hilfen: I. Unterstützung in Familien und kleinen Gruppen: Derzeitige Situation und Probleme; II. Gewerbliche Anbieter sozialer Dienste; III. Wohlfahrtsverbände: Im Dienst der wirtschaftlich Schwachen?; IV. (In-)Effizienz der Aufgabenverteilung zwischen kommerziellen Anbietern, gemeinnützigen und sozialadministrativen Trägern sozialer Dienste; V. Prinzipielle Bedeutung von Umverteilungsmotiven für die Aufgabenvertei­lung zwischen privaten und staatlichen Trägern. E. Umverteilungsanreize im Sozialstaat: I. Umverteilungspolitik: Ergebnis des Zusammenspiels rational handelnder Wähler und politischer Entscheidungsträger; II. Die Einflußnahme von Interessenorganisationen auf die Umverteilungspolitik; III. Die Realisierung von Umverteilungspolitik durch die Sozialadministration. F. Sozialstaatliche Umverteilung: Ziele und Prinzipien versus sozialpolitische Realität - eine Bestandsaufnahme: I. Struktur und Expansion des Sozialbudgets: Ursachen, neue Belastungen und Begrenzungsmöglichkeiten; II. Unterstützung Nicht-Bedürftiger durch sozialpolitische Redistribution; III. Inanspruchnahme existenzsichernder Sozialleistungen; IV. Zur Situation wirtschaftlich Schwacher; V. Zwischenergebnis: Zielverfehlungen und Inkonsistenzen derzeitiger Umver­teilungspolitik. G. Ergebnis: Wege einer erforderlichen Neuorientierung bundesdeutscher Umverteilung: I. Erhöhung der Ordnungskonformität marktwirschaftlichen Wettbewerbs als Fundament jeglicher Umverteilung; II. Systematisierung der Aufgabenverteilung zwischen kommerziellen Anbietern, Selbsthilfe, Wohlfahrtsverbänden und Sozialadministration; III. Beseitigung unsystematischer Redistribution und Verbesserung der Situation wirtschaftlich Schwacher; IV. Möglichkeiten und Grenzen einer negativen Einkommensteuer; V. Konsequenzen für die Sicherung Nicht-Leistungsfähiger; VI. Politische Rahmenbedingungen für eine zielkonforme Umverteilungspolitik.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.342 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Jürgen Volkert: Soziale Dienste und Umverteilung in Deutschland Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11052-soziale-dienste-und-umverteilung-in-deutschland_13066, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13066 Rezension drucken