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Jens Berger

Stresstest Deutschland. Wie gut sind wir wirklich?

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2012; 255 S.; 16,99 €; ISBN 978-3-86489-002-4
Gemessen an den üblichen wirtschaftlichen Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt oder den DAX-Werten steht Deutschland in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise vergleichsweise gut da. Diese Kennzahlen sagen aber nichts über den Zustand des Gemeinwohls aus, sie bilden nicht ab, dass beispielsweise jeder siebte Bürger von Armut bedroht ist oder dass mehr als die Hälfte der Deutschen Angst vor dem sozialen Abstieg hat. Genau dieses Gemeinwohl – im Sinne einer gerechten Gesellschaft mit hoher Einkommens- und Bildungsmobilität – macht Berger, Journalist, Politblogger und Redakteur der „NachDenkSeiten“, zum Maßstab seines Stresstests. Hierfür stellt er nicht nur verschiedene Politikfelder, sondern auch das demokratische System an sich auf den Prüfstand. Wenn er in den ersten Kapiteln kritisiert, dass sich die Politiker längst von den Bedürfnissen der Menschen entfernt, die Medien in ihrer Rolle als vierte Macht versagt haben und der Lobbyismus ein demokratiegefährdendes Ausmaß erreicht hat, dann geschieht dies äußerst faktenreich und in flottem, markant-witzigem Ton, der aber leider etwas zu oft ins Sarkastische abdriftet. Mit analytischer Schärfe und einer geballten Ladung an Informationen deckt er dann in den folgenden Kapiteln die neoliberale Logik in der Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik inklusive Eurokrise auf. Berger versteht es, volkswirtschaftliche Zusammenhänge gut verständlich und anhand von Beispielen und einfachen Vergleichen anschaulich zu vermitteln. So rechnet er beispielsweise vor, dass die vermeintliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen gar keine ist oder er nennt zahlreiche einleuchtende Beispiele für „die kontraproduktive Wirkung von Sparprogrammen in Krisenzeiten“ (216). Mit Verweis auf die Eurokrise, in der Deutschland eine auf ganz Europa ausgedehnte „neoliberale Schocktherapie“ (218) verfolge, fragt Berger sicherlich nicht unbegründet: „Wer soll dem Vizeexportweltmeister Deutschland denn seine Waren abkaufen, wenn die gesamte industrialisierte Welt sich zu Tode spart?“ (219) Einen Ausweg aus der Krise sieht er in den von Deutschland bisher vehement abgelehnten Eurobonds. Und überhaupt beschränkt sich der Autor nicht allein auf’s Kritisieren und Sezieren, sondern zeigt für alle Themenfelder Alternativen zur vermeintlich alternativlosen neoliberalen Politik auf. Um diesen die nötige Geltung zu verschaffen, brauche es eine engagierte Gesellschaft. Mit seinem Buch möchte er daher die Menschen „wachrütteln“ (15) und fordert sie am Ende auf: „Empört euch! Werdet aktiv!“ (236)
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.342 | 2.343 | 2.331 | 2.333 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Jens Berger: Stresstest Deutschland. Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35024-stresstest-deutschland_42145, veröffentlicht am 09.08.2012. Buch-Nr.: 42145 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken