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Natalie Sharifzadeh

200 gesicherte Helden auf Grenzgang. Polizeiaufbau in Afghanistan

Marburg: Tectum Verlag 2012; 260 S.; pb., 24,95 €; ISBN 978-3-8288-3227-5
Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: S. Schröter. – Seit 2002 unterstützt Deutschland die afghanische Polizei im Rahmen des bilateralen Projektes German Police Project Team (GPPT). Neben der Errichtung der Polizeiakademie in Kabul war insbesondere die Ausbildung von Offizieren und Unteroffizieren Aufgabe der deutschen Polizist_innen. Während die polizeiliche Aufbauhilfe bereits Gegenstand vorrangig struktureller Untersuchungen war, ist die individuelle Ebene bisher nicht beleuchtet worden. Natalie Sharifzadeh stellt in ihrer ethnologischen Dissertation die menschliche Komponente, also die Lebenswelt der deutschen Beamt_innen in Afghanistan, in das Zentrum ihrer Untersuchung: „Was bewegt sie [die Polizist_innen] zu dieser Arbeit? Welche Erwartungen haben sie an sich, die Afghanen und den Einsatz? Wie werden sie durch ihn verändert? Wer sind diese ‚Botschafter in Uniform‘?“ (22). Hierfür beleuchtet die Autorin zunächst die Schwierigkeiten (institutionelle Rahmenbedingungen und sozio‑kulturelle Phänomene), die den Polizeiaufbau in Afghanistan behindern und arbeitet heraus, welche Folgen diese ungünstigen Konditionen für die Arbeit der deutschen Polizist_innen haben. Vor dem Hintergrund des, wie Sharifzadeh konstatieren muss, „erschreckende[n] Bild[es]“ (56) in Bezug auf Kooperation und Konzeption schildert sie auf der Grundlage teilnehmender Beobachtung den Verlauf des für alle Polizist_innen obligatorischen Vorbereitungsseminars in der Bundespolizeiakademie Lübeck sowie ihre Erfahrungen im Militärlager Camp Marmal und in Green Village. In Lübeck fiel der Autorin unter anderem die starke Betonung möglicher Gefahren während des späteren Einsatzes auf, in Afghanistan dann die räumliche und körperliche Abschottung zu der als feindlich wahrgenommenen Umgebung, sodass sich die bereits in Deutschland gezogenen Grenzen am Einsatzort manifestierten. Daran anknüpfend untersucht Sharifzadeh die Motive der Beamt_innen sowie ihre angewendeten Strategien, um den Herausforderungen vor Ort zu begegnen. Wie die Autorin herausstellt, ist bei fast allen zunächst der Wunsch nach einer außergewöhnlichen Tätigkeit dominant. Allerdings habe sich die Motivlage über die Zeit verändert, sodass später auch die Erfahrung der Gefahrengemeinschaft und bei einigen auch die Inszenierung als Held_in Bedeutung gewinnt. Abschließend kann die Autorin zeigen, dass – anders als bei Soldat_innen – der Wechsel zwischen Heimat, Ausland und zurück nicht kollektiv zelebriert und ritualisiert ist, was Spannungen und Verlustgefühle zur Folge haben kann.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 4.414.212.682.212.324 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Natalie Sharifzadeh: 200 gesicherte Helden auf Grenzgang. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37512-200-gesicherte-helden-auf-grenzgang_45182, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 45182 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken