Verfolgung und Gedächtnis in Albanien. Eine Analyse postsozialistischer Erinnerungsstrategien
Phil. Diss. Berlin; Gutachter: G. Elwert, T. Zitelmann, K. Kaser. – Die Autorin beschäftigt sich mit den Aneignungsprozessen gesellschaftlicher Grundgedanken in Albanien. Herausgearbeitet wird, mit welchen Strategien sich die Betroffenen traumatische Erfahrungen vergegenwärtigen. Das Interesse gilt dabei insbesondere den Erinnerungsbildern, die heute für die Erzählenden relevant sind: „Dabei sollte es vor allem darum gehen, die in den Erinnerungsbildern enthaltenen Vorstellungen von legitimer respektive illegitimer Gewalt, von Überwachung und Willkür, von Gerechtigkeit und Rehabilitation, von sozialen Forderungen und Rechten in Vergangenheit und Zukunft sowie von der gesellschaftlichen Dichotomie ‚gut’ und ‚schlecht’ zu erfassen“ (262). Für den empirischen Teil der Arbeit interviewte Kretsi die Bewohner der südlichen Grenzregion Albaniens. Diese Region ist vor allem aufgrund der nach 1989 stark ausgeprägten grenzüberschreitenden Mobilität, die einen engeren Austausch mit den Nachbarstaaten Griechenland und Italien ermöglicht, interessant. So konnten die Bewohner der Grenzregion die nach Meinung der Autorin unabdingbaren Prozesse „des Sichorientierens und Sichneudefinierens“ (14) schon frühzeitig beginnen. Aus den Lebensgeschichten der Betroffenen folgert Kretsi, dass sich jeder Mensch historische Entwicklungsprozesse sowie primäre oder sekundäre Gewalterfahrungen in vielschichtigen Strängen aneignet. Ferner hebt sie hervor, dass die Reaktionen der verfolgten Akteure sowohl von ihrer ideologischen Ausrichtung als auch von ihrer Position innerhalb des politischen Machtgefüges abhängen. Darüber hinaus werden die ambivalenten Folgen der politischen Praxis der Sippenhaftung unter den Sozialisten behandelt. Kretsi erkennt, dass allen verfolgten Familien die Konstitution eines Belagerungs- und Überlebensgedächtnisses gemeinsam ist.