Der Philosoph Nemo, der seit 1982 an der École supérieure de Commerce de Paris lehrt, hat die Einsichten seiner „Histoire des idées politiques“ der vorliegenden „Morphogenese des Westens“ (3) zugrunde gelegt. In fünf zwischen Ideengeschichte, Ereignisgeschichte und philosophischem Kommentar changierenden Kapiteln beleuchtet der Autor die in seinen Augen zentralen Erfindungen des Abendlandes: (1) Erfindung von Polis und Wissenschaft in Griechenland; (2) Erfindung von Recht und Humanismus in Rom; (3) die ethische und eschatologische Revolution der Bibel; (4) die Synthese zwischen Athen, Rom und Jerusalem im Papsttum des elften bis dreizehnten Jahrhunderts; (5) die demokratischen Revolutionen der Neuzeit. Bei jeder dieser Epochen handele es sich um „evolutionäre Sprünge“ und dem Westen sei „es eigen, von allen fünf Ereignissen geformt zu sein, und von keinem anderen Ereignis“ (4). Nemo lässt die große Linie seiner durchaus informativen Bekenntnisschrift in das Lob des Rechts und der wirtschaftlichen Produktivität münden, denen er eine universelle Bedeutung für die gesamte Menschheit beimisst. Schließlich empfiehlt der Autor dem Westen, zu dem er vor allem Westeuropa und Nordamerika zählt (alle anderen Regionen der Erde haben an mindestens einem der oben genannten „Wunder“ nicht teilgehabt), die Errichtung einer „westlichen Union“, denn damit würden sich „die Menschen des Westens jedenfalls um eine objektiv begründete Identität herum versammeln“, da „das schiere Überleben der westlichen Zivilisation auf dem Spiel steht“ (128).