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Otfried Jarren / Kurt Imhof / Roger Blum (Hrsg.)

Zerfall der Öffentlichkeit?

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2000 (Mediensymposium Luzern 6); 307 S.; brosch., 30,17 €; ISBN 3-531-13555-4
Die Autoren sind überwiegend promovierte Soziologen, Politik- oder Kommunikationswissenschaftler aus Österreich, Liechtenstein, Deutschland und der Schweiz. So bestanden im Dezember 1999 in Luzern gute Voraussetzungen für interdisziplinäre Erkenntniszugänge zu den beiden Hauptfragen. Sie lauteten: "Gibt es einen auf Zerfall hinauslaufenden 'Strukturwandel der Öffentlichkeit' (Habermas), z. B. durch die zunehmende Ausdifferenzierung und Ökonomisierung der Medien?" und "Was leisteten und leisten Medien früher, heute und künftig für eine gesellschaftliche und politische Integration durch Stiftung von Öffentlichkeit?" Die insbesondere im ersten Teil des Bandes überzeugenden, und teilweise auf eigener empirischer Forschung basierenden (Marcinkowski, Melischek / Seethaler) Beiträge wurden jeweils nach den vier Roundtables des Symposiums (deren Themen entsprechen den Teil-Überschriften des Bandes) verfasst und sollen somit die Diskussionsergebnisse mit einschließen. Empirisch belegbar ist die - überdies uralte (Averbeck) - Zerfallsthese jedenfalls nicht wirklich (Marcinkowski), und auch die Ergebnisse der theoretischen Darlegungen geben an sich noch keinen Anlass zur Sorge um die Demokratie (sehr präzise: Heinrich - hingegen sehr wohl besorgt, allerdings aus demokratietheoretisch fragwürdiger normativer Perspektive: Blöbaum). Herausragend im Sinne der Theoriebildung ist der Beitrag von Sarcinelli / Tenscher; manch anderer Beitrag ist zwar interessant, aber kaum politikwissenschaftlich relevant (Weber, Neumann-Braun, Bosshart). Der vierte Teil zeigt vor allem einmal mehr, wie schwer es ist, das kaum zu konkretisierende Medium Internet sozialwissenschaftlich zu erfassen. Inhalt: 1. Versammlungsöffentlichkeit: Jürgen Wilke: Auf langem Weg zur Öffentlichkeit: Von der Parlamentsdebatte zur Mediendebatte (23-38); Christoph Jahr: Parlament, "Publicität" und Versammlungsöffentlichkeit. Überlegungen zur politischen Theorie und historischen Praxis in Deutschland bis 1933 (39-48); Frank Marcinkowski: Die Medien-Öffentlichkeit des Parlaments in der Verhandlungsdemokratie. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde zur Parlamentsberichterstattung von Presse und Fernsehen (49-73); Ulrich Sarcinelli / Jens Tenscher: Vom repräsentativen zum präsentativen Parlamentarismus? Entwurf eines Arenenmodells parlamentarischer Kommunikation (74-93). 2. Medienstrukturen: Stefanie Averbeck: Zerfall der Öffentlichkeit? Sozialwissenschaftliche Diagnosen in der Zeit der Weimarer Republik (97-111); Gabriele Melischek / Josef Seethaler: Zerfall der Öffentlichkeit versus Re-Integration: Zu möglichen Folgen des Ausdifferenzierungsprozesses des Mediensystems in der Weimarer Republik (112-134); Bernd Blöbaum: Strukturwandel des Journalismus - Strukturwandel von Öffentlichkeit (135-147); Jürgen Heinrich: Medienunternehmen und Öffentlichkeit (148-159); Ingeborg Villinger: Von der Kooperations- zur Kampföffentlichkeit? Mediation von Interessen unter Medienbedingungen (160-167); Patrick Rössler: Vielzahl = Vielfalt = Fragmentierung? Empirische Anhaltspunkte zur Differenzierung von Medienangeboten auf der Mikroebene (168-186). 3. Tyrannei der Intimität: Rolf H. Weber: Schutz der öffentlichen Personen vor den Medien (189-197); Klaus Neumann-Braun: Überbelichtetes Leben - entgrenzte Öffentlichkeit? Über den Umgang mit Web Cam-Technik und -Angeboten (198-212); Louis Bosshart: Die Demontage politischer Autorität im US-Spielfilm (213-223). 4. Elektronische Öffentlichkeit: Klaus Kamps: Die Agora des Internet: Zur Debatte politischer Öffentlichkeit und Partizipation im Netz (227-239); Urs Dahinden: Demokratisierung dank Internet? Zum Austauschverhältnis zwischen neuen elektronischen und massenmedialen Öffentlichkeiten (240-254); Patrick Donges: Technische Möglichkeiten und soziale Schranken elektronischer Öffentlichkeit: Positionen zur elektronischen Öffentlichkeit und ihr Bezug zu Öffentlichkeitsmodellen (255-265); Markus S. Schulz: Die dynamischen Netze der Öffentlichkeit: Struktur, Dynamik und Effektivität politischer Telekommunikation (266-281); Helmut Scherer / Markus Behmer: "... und wurden zerstreut in alle Winde". Das Internet als Medium der Exilkommunikation (282-299).
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.22 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Otfried Jarren / Kurt Imhof / Roger Blum (Hrsg.): Zerfall der Öffentlichkeit? Wiesbaden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13625-zerfall-der-oeffentlichkeit_16322, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16322 Rezension drucken