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Christoph Prager

Ratingagenturen. Funktionsweisen eines neuen politischen Herrschaftsinstruments

Wien: Mandelbaum Verlag 2012 (kritik & utopie); 188 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-85476-610-0
Gleich in den Vorbemerkungen weist der Autor darauf hin, dass der Fokus seiner Analyse „nicht auf den ökonomischen Fragen nach der korrekten Beurteilung von Staaten durch Ratingagenturen“ (7) liege. Vielmehr will er unter Zugrundelegung von Pierre Bourdieus Theorien den (politischen) Einfluss dieser Agenturen ergründen. Die Anwendung solcher abstrakten Theorien auf komplexe Wirklichkeitsphänomene, für die sie ursprünglich gar nicht konzipiert worden sind, ist nicht unproblematisch. Prager gelingt jedoch ein spannender Transfer, der nicht so sehr grundlegend neue Erkenntnisse zur Institution Ratingagentur als vielmehr eine politikwissenschaftlich wertvolle Kontextualisierung dieser Akteure im „sozialen Feld“ (26) zwischen Marktkräften und staatlichen Akteuren liefert. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Ratingagenturen – und Prager subsumiert darunter im Wesentlichen die Trias der marktbeherrschenden Agenturen Standard & Poors, Fitch und Moodys – vor allem über eine „symbolische Macht“ (36) verfügen. Diese sei durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren über die letzten Jahre und Jahrzehnte gewachsen. Dazu zählen die von der Politik vorgenommene Deregulierung der Finanzmärkte, die exponierte Sonderrolle, die den Ratingagenturen im Basel-II-Abkommen als „globale Risikogutachter“ (68) zugeschrieben worden ist, sowie die exorbitant gestiegene Staatsverschuldung in den vergangenen Dekaden. Der Nimbus als quasi-staatliche und neutrale Bewertungsinstanzen führt dazu – so Prager –, dass zwar verschiedentlich die Ratingpraxis sowie die ihr zugrunde liegenden Methoden kritisiert werden. Die Existenz der Agenturen an sich werde jedoch nicht grundsätzlich hinterfragt. In seiner Fallstudie nimmt sich Prager dann ausführlich dem Beispiel Griechenland an. Sehr anschaulich und nachvollziehbar zeigt er an dieser Länderstudie, wie das Handeln der Ratingagenturen krisenverschärfend gewirkt hat und wie es passieren konnte, dass Griechenland als Mitglied der Eurozone nun am Rand des demokratischen Abgrunds steht. Somit liefert dieses kleine Buch mit seinem unaufgeregten und sachlichen Stil definitiv wertvolle theoretische Anregungen zur vertiefenden Auseinandersetzung mit Fragen zum Verhältnis zwischen Markt und Staat.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 4.432.2 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Christoph Prager: Ratingagenturen. Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34951-ratingagenturen_42034, veröffentlicht am 28.06.2012. Buch-Nr.: 42034 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken