Skip to main content
Jochen Hirschle

Die Entstehung des transzendenten Kapitalismus

Konstanz/München: UVK Verlagsgesellschaft 2012; 203 S.; brosch., 24,99 €; ISBN 978-3-86764-386-3
Der widersprüchliche Charakter kapitalistischer Vergesellschaftung ist in der Sozialtheorie vielfach behandelt worden. Jochen Hirschle wählt für seine Studie im Anschluss an Galbraith eine Konstellation, derzufolge der moderne Kapitalismus auf Basis marktförmiger Konkurrenz sein Produktionspotenzial so effizient hat ausbauen können, dass er seine Aktivitäten mehr und mehr auf eine Verstetigung des Absatzes richten muss. Im Zuge dieser Entwicklung verwandelt sich die Produktions‑ in eine Konsumgesellschaft, die einerseits durch gezieltes Marketing profane Waren systematisch kulturell überhöht und andererseits deren Konsum motivational in der sozialen Praxis verankert. Primäres Ziel des Autors ist es, diesen Prozess der Entstehung der Konsumgesellschaft aus wirtschaftssoziologischer Perspektive nachzuzeichnen. Für diese Zwecke rekapituliert Hirschle zunächst wesentliche Aussagen klassischer Modernisierungstheorien, die sich mit der Durchsetzung des Kapitalismus befassen (Comte, Spencer, Durkheim, Weber, Parsons). Im zweiten Teil geht es um sozialtheoretische Analysen, die die – teils kulturell, teils institutionell bedingten – Widersprüche des etablierten Kapitalismus thematisieren (Polanyi, Bell, Galbraith, Baudrillard, Douglas/Isherwood). Im dritten Teil wird die Funktionsweise des transzendenten Kapitalismus aufgezeigt. Transzendenz heißt hier, dass Waren durchgängig mit symbolischen Gehalten aufgeladen werden, die Zugang zu kulturellen Werten und Zugehörigkeit zu spezifischen Milieus versprechen. Diese Transformation ist deshalb erfolgreich, weil der Konsum „die soziale Lebenswelt der Individuen systematisch von innen kommodifiziert“ (184). Hirschle begründet diese These in Analogie zu Durkheims Analyse der Funktionen archaischer Religionen. Ähnlich wie früher Religionen sichert das differenzierte System des Konsums heute mithilfe von Praktiken, Infrastrukturen, Produkten und Imaginationen „die Integration einer Gesellschaft auf der Mikroebene“ in einer Weise, „dass im entwickelten Kapitalismus der informelle Zusammenhalt der Gesellschaft selbst zu einer Funktion der Produktion wird“ (188).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.45 | 5.33 | 2.2 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Jochen Hirschle: Die Entstehung des transzendenten Kapitalismus Konstanz/München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35507-die-entstehung-des-transzendenten-kapitalismus_42827, veröffentlicht am 16.05.2013. Buch-Nr.: 42827 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken