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Dieter Konold

Agrarinteressen als Verhandlungsmasse. Die Handelspolitik der Europäischen Union zwischen nationalen Präferenzen und internationalen Zwängen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Internationale Politische Ökonomie 14); 382 S.; 69,- €; ISBN 978-3-8487-1726-2
Diss. HU Berlin; Begutachtung: M. Kreile, E. Immergut. – Die Landwirtschaft hat nach Meinung von Dieter Konold in der Europäischen Union noch immer einen hohen politischen Stellenwert, was sich etwa daran ablesen lässt, dass die EU erhebliche finanzielle Mittel für diesen Bereich aufwendet. Dies hält der Autor angesichts der tatsächlichen ökonomischen Relevanz des EU‑Agrarsektors für bemerkenswert. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Während gemeinhin die These vertreten wird, dass die Bauernverbände dafür verantwortlich sind, dass die Landwirtschaft weiterhin subventioniert wird, und diese eine Öffnung des Sektors für Drittländer zu verhindern suchen, weist der Autor am Beispiel Frankreichs und Deutschlands nach, dass „organisierte Agrarinteressen erheblich an Schlagkraft verloren haben“ (337). Denn zum einen falle es einer kleiner werdenden Anzahl an Landwirten immer schwerer, eine einheitliche Linie zu finden, und zum anderen habe eine Politisierung von Agrarfragen und Handelsthemen stattgefunden, in deren Folge konkurrierende Gruppen wie Verbraucher‑ und Umweltschutzorganisationen Mitspracherechte einforderten, die vormals innerhalb eines weitgehend abgeschotteten Netzwerkes aus Agrarpolitkern und ‑lobbyisten geltend gemacht wurden. Ursächlich für den Bedeutungsverlust der Agrarinteressen sind laut Konold auch die zahlreichen Reformen der vergangenen zwei Jahrzehnte, die zu einer Neuausrichtung der Agrarpolitik und zur Abkehr vom System der Preisstützung und zur Hinwendung zur Ökologie geführt haben. Ähnliches gelte auch für den Agraraußenhandel. Zwar sei dieser noch immer defensiv ausgerichtet und es werde am Protektionismus festgehalten, was vor allem für Frankreich als größtem finanziellen Nutznießer der Gemeinsamen Agrarpolitik gelte und von der Bundesrepublik unterstützt werde. Doch die politisch Verantwortlichen und auch die Agrarverbände hätten „eine weitere Liberalisierung der Landwirtschaft als Notwendigkeit akzeptiert und in ihre Szenarien für die Zukunft der europäischen Handelspolitik schon eingepreist“ (347). Diese Verschiebung der roten Linien habe dazu geführt, dass die EU ihre Rolle als Blockiererin modifiziert habe und international nicht mehr in dem Maße wie früher wegen ihres Protektionismus am Pranger stehe. Der Autor prophezeit eine weitere Schwächung der Bauernlobby, wenngleich die Landwirtschaft auch weiterhin einen Sonderstatus einnehmen werde. Die Front der Liberalisierungsgegner verschiebe sich: weg von den Agrariern, hin zu den Umwelt‑ und Verbraucherschützern. Auch die Handelsketten entwickelten sich zu den Verbündeten der europäischen Landwirte, da sie nur Waren von Produzenten in ihr Sortiment aufnehmen, die hohen Standards entsprechen.
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Rubrizierung: 3.6 | 3.5 | 4.21 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Dieter Konold: Agrarinteressen als Verhandlungsmasse. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39277-agrarinteressen-als-verhandlungsmasse_47123, veröffentlicht am 21.01.2016. Buch-Nr.: 47123 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken