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Kerstin Pohl

Gesellschaftstheorie in der Politikdidaktik. Die Theorierezeption bei Hermann Giesecke

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2014 (Wochenschau Wissenschaft); 447 S.; 2., korr. Aufl.; 49,80 €; ISBN 978-3-89974446-0
Diss. Berlin; Begutachtung: P. Massing. – Die Arbeiten von Hermann Giesecke werden innerhalb der Politikdidaktik als eine der grundlegenden Konzeptionen erachtet. Zumeist wird hier auf seine Konfliktdidaktik rekurriert. Kerstin Pohl nimmt diese Einordnung zum Anlass, sich mit den Bezugspunkten sozialwissenschaftlicher Theorien in Gieseckes politikdidaktischen Überlegungen auseinanderzusetzen und anhand dieser allgemeine Folgerungen für die Anknüpfung an Gesellschaftstheorien aus der Perspektive der Politikdidaktik zu ziehen. Konkret fragt die Autorin danach, „welche sozialwissenschaftlichen Theorien Giesecke in welchem Ausmaß rezipiert hat“ (8). Pohl macht drei Phasen seiner Arbeiten aus. Zunächst steht Gieseckes Didaktik von 1965 im Mittelpunkt, für die gemeinhin Ralf Dahrendorfs Konflikttheorie als Referenz gesehen wird. Diesbezüglich konstatiert Pohl jedoch: „Auch wenn er sich in Bezug auf seine zentrale Kategorie Konflikt auf ihn beruft, hat Giesecke ein anderes Konfliktverständnis als Dahrendorf selbst; überdies nutzt er weitere mögliche Anknüpfungspunkte in Dahrendorfs Theorie an keiner Stelle für seine gesellschaftstheoretischen oder didaktischen Überlegungen.“ (134) Die zweite Phase erstreckt sich auf die Zeit bis zur Neuausgabe von Gieseckes Didaktik 1972. Hier prüft Pohl die Zusammenhänge mit Werken der Kritischen Theorie. Die Autorin zeigt, wie der Emanzipationsbegriff für Giesecke in den Mittelpunkt rückt. Die Kritische Theorie sei dabei klar als Bezugstheorie zu verstehen. „Politische Bildung hat für Giesecke nun das Ziel, das Individuum zur Überwindung eines falschen Bürgerbewusstseins, zur Entdeckung seiner wahren Interessen und Bedürfnisse zu befähigen.“ (277) Die dritte Phase, in der Pohl Gieseckes Werke nach 1972 verortet, kennzeichnet dessen Abwendung von den sozialwissenschaftlichen Theorien und dem Ziel, über ein pragmatisches Vorgehen zu einer theoretischen Fundierung zu gelangen. Insgesamt würdigt die Autorin Gieseckes Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Wende innerhalb der Politikdidaktik, zeigt aber ebenso Widersprüche und Schwierigkeiten in seinen Arbeiten auf. In Hinblick auf die Auslegung sozialwissenschaftlicher Theorien in politikdidaktischen Rezeptionen folgert Pohl: „Die theoretische Grundlegung sollte die didaktische Konzeption als Ganzes tragen und ihre Bedeutung für die praxisorientierten Vorschläge muss sichtbar sein, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll.“ (420)
Luisa Lemme (LL)
M. Ed., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bremen.
Rubrizierung: 5.42 | 5.2 Empfohlene Zitierweise: Luisa Lemme, Rezension zu: Kerstin Pohl: Gesellschaftstheorie in der Politikdidaktik. Schwalbach/Ts.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36899-gesellschaftstheorie-in-der-politikdidaktik_44519, veröffentlicht am 27.03.2014. Buch-Nr.: 44519 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken