Kulturwiss. Magisterarbeit HU Berlin; Gutachter: H. Böhme. – Der Multikulturalismus galt aufgrund seines starken Plädoyers für die Anerkennung von Differenzen, die aus unterschiedlichen kulturellen Orientierungen hervorgehen, lange Zeit als angemessenes Konzept, um den Herausforderungen der zunehmenden ethnischen Pluralisierung moderner Einwanderungsgesellschaften zu begegnen. Mittlerweile jedoch sieht sich der Multikulturalismus vor allem in westeuropäischen Ländern substanziellen Einwänden ausgesetzt. Ereignisse wie der Mord an dem niederländischen Regisseur Theo van Gogh und höchst kontroverse Debatten über Phänomene wie Zwangsheiraten oder sogenannte Ehrenmorde führen zu der Frage, ob multikulturalistische Positionen systematisch an einen Kulturrelativismus gebunden sind, der autoritäre, individuelle Freiheitsrechte einschränkende Praktiken im Namen einer vermeintlichen Identitätspolitik in Kauf nehme. Die Autorin rekonstruiert in ihrer ideengeschichtlichen Studie die Auseinandersetzungen zwischen kulturrelativistischen und universalistischen Positionen, wobei sie ohne unnötige Polemik für einen kritischen Universalismus eintritt, dem es „nicht um die Herstellung von Gerechtigkeit gegenüber Kulturen, sondern gegenüber Individuen“ geht (192). Zunächst zeichnet Leicht die antirassistisch intendierte Konzeption des Kulturrelativismus bei Franz Boas und Claude Levi-Strauss nach. In einem zweiten Schritt setzt sie sich mit relevanten theoretischen Ansätzen zur Frage kultureller Anerkennung auseinander (Charles Taylor, Will Kymlicka, Seyla Benhabib, Heiner Bielefeldt). Vor diesem Hintergrund wird einerseits die Stellung des Multikulturalismus gegenüber dem Toleranzprinzip, andererseits die irritierende Verwendung kulturrelativistischer Überlegungen auf Seiten der Neuen Rechten resümiert. Die Studie schließt mit einer Darstellung zentraler Kontroversen der aktuellen europäischen Debatte über Fragen der Integrationspolitik.