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/ 11.06.2013
Reg Whitaker

Das Ende der Privatheit. Überwachung, Macht und soziale Kontrolle im Informationszeitalter. Aus dem Englischen von Inge Leipold

München: Verlag Antje Kunstmann 1999; 260 S.; ISBN 3-88897-217-5
Das 20. Jahrhundert hat seine spezifischen Ängste vor umfassender politischer Unterdrückung vielfach in kollektiven Schreckbildern artikuliert; zu den prominentesten dieser Visionen zählt gewiss "1984" – jener von George Orwell 1949 entworfene Alptraum einer totalen staatlichen Überwachung, die mittels zentralisiert gelenkter Informationstechnologien jede individuelle Autonomie erstickt. Diese "negative Utopie" ist am Beginn des 21. Jahrhunderts technologisch überholt: Was wir gegenwärtig ...
Reg Whitaker

Das Ende der Privatheit. Überwachung, Macht und soziale Kontrolle im Informationszeitalter. Aus dem Englischen von Inge Leipold

München: Verlag Antje Kunstmann 1999; 260 S.; geb., 38,- DM; ISBN 3-88897-217-5
Das 20. Jahrhundert hat seine spezifischen Ängste vor umfassender politischer Unterdrückung vielfach in kollektiven Schreckbildern artikuliert; zu den prominentesten dieser Visionen zählt gewiss "1984" – jener von George Orwell 1949 entworfene Alptraum einer totalen staatlichen Überwachung, die mittels zentralisiert gelenkter Informationstechnologien jede individuelle Autonomie erstickt. Diese "negative Utopie" ist am Beginn des 21. Jahrhunderts technologisch überholt: Was wir gegenwärtig erleben – so die These des kanadischen Politikwissenschaftlers – ist der "Übergang vom Überwachungsstaat zur Überwachungsgesellschaft" (45), in der Macht wesentlich dezentral ausgeübt wird durch Erzeugung von und Verfügung über Daten. Und Daten sind "zum Zwecke wissenschaftlicher Analyse oder der Entscheidungsfindung organisierte Informationen" – vorzugsweise in quantifizierter (beziehungsweise digitalisierter) Form (18). Whitaker entwirft – ebenso verständlich wie anschaulich geschrieben - sein Bild der sich gesellschaftlich mehr und mehr ausbreitenden "panoptischen Techniken" (203) im Anschluss an Foucaults Analysen neuzeitlicher Überwachungspraktiken (46 ff.). Die neue Form dieser Techniken erläutert er dann am Beispiel von vier Themenfeldern: der Entstehung der "vernetzten Gesellschaft" (64 ff.) auf Basis der Vielzahl neuer, auch für ein Massenpublikum zugänglicher Techniken, die gleichermaßen für Informations- wie für Überwachungszwecke nutzbar sind (103 ff.). Eine Gefahr eigener Art stellen die privat wie staatlich aufgebauten Datenbanken und deren Verwendung für ein von den Betroffenen überhaupt nicht kontrollierbares "Profiling" dar (155 ff.). Der irritierendste Effekt schließlich ergibt sich aus dem Umstand, dass die neuen Informationstechnologien nicht nur Kontrolle und Kontrolleure vervielfältigen, sie dehnen zugleich den Bereich der massenmedial durchleuchteten Sphäre zulasten von Privatheit aus (176 ff.). Die Lewinsky-Affäre illustriert diese doppelte Beschädigung substanzieller demokratischer Standards: Einerseits wird das Privatleben politischer Amtsträger jetzt als Allgemeingut behandelt, andererseits nehmen politische Kontroversen mehr und mehr das Format von "Disney-World" an (194 ff.). Inhalt: 1. Das Jahrhundert der Nachrichtendienste; 2. Das Panopticon; 3. Cyberspace – die Bibliothek aus Babel; 4. "Die Nacht hat tausend Augen" – neue Techniken der Überwachung; 5. Die unsichtbare Macht – Datenbanken und Entfremdung; 6. Das mitbestimmte Panopticon; 7. Der Große Bruder im Außendienst – das globalisierte Panopticon.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.22.232.24 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Reg Whitaker: Das Ende der Privatheit. München: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12513-das-ende-der-privatheit_14964, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14964 Rezension drucken
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