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Demokratie und Frieden

Autokratien und Autokratisierung politischer Systeme

Man spricht überall dort von einer Autokratie, wo eine einzelne Person bzw. eine kleine Gruppe innerhalb eines politischen Systems Macht monopolisiert – das heißt willkürlich und ohne echte Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung des jeweiligen Landes herrscht. Weltweit nimmt die Zahl solch mehr oder weniger autoritär regierter Staaten zu, dabei erfassen Autokratisierungstendenzen auch einstmals als gefestigt geltende Demokratien.

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Autokratisierung bezeichnet den Prozess, durch den sich ein politisches System schrittweise in Richtung einer Autokratie entwickelt: Dies kann durch die Ausweitung der Exekutivgewalt auf Kosten der Gewaltenteilung gekennzeichnet sein, beispielsweise durch präsidentielles Regieren per Dekret, die Einschränkung politischer Opposition und die Untergrabung demokratischer Institutionen. Dabei werden oft politische Freiheiten beschnitten, Medien unter staatliche Kontrolle gestellt und Wahlmanipulationen vorgenommen. Wo diese Merkmale erfüllt sind, kommt es zum Verlust demokratischer Standards und Institutionen.

In der Politikwissenschaft werden dafür mindestens zwei Ursachen angeführt: (1) Viele in den 1990er-Jahren begonnene Transformationen in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind gescheitert und (2) bislang als gefestigt geltende repräsentative Demokratien durchlaufen einen Prozess politischer Polarisierung, in dem die Regierung ihre Machtposition zu verstetigen versuchen, indem sie die beispielsweise die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien attackiert und das Wahlsystem zu ihren Gunsten umbaut. 

Diktatoren, Autokraten und auch autoritär regierende, gewählte Politiker*innen in sogenannten illiberalen Demokratien lehnen heute das liberal-demokratische Konzept selbstbewusst ab. Die westlichen, repräsentativen Demokratien seien dekadent und aufgrund ihrer unüberschaubar gewordenen Pluralität und übertriebenen Gerechtigkeits- und Gleichheitsideologie immer weniger zu einer zukunftsorientierten politischen Gestaltung in der Lage. Autokraten preisen stattdessen Modelle der gelenkten Demokratie oder der autoritären Herrschaft an, die eine "gesunde" Wirtschaft und Gesellschaft hervorbringe, während die westliche Welt ihrem Niedergang entgegensehe. Die Kollektivierung von Wertvorstellungen sowie die Kontrolle über Medien, Judikative und Verwaltung und das Ausschalten von Oppositionellen und/oder Gewerkschaften werden als Alternative dazu in „autoritären Gesellschaftsverträgen“ verbunden. Diese beinhalten dann das Versprechen auf Wohlstandssteigerung. Darüber hinaus sollen sie einen Machtgewinn in der internationalen Politik garantieren.

Liberale Demokratien fußen hingegen nicht nur auf der Idee, dass ihre Bürger*innen unveräußerliche Rechte gegenüber dem Staat und alle Staaten souveräne Gleichheitsrechte untereinander besitzen. Sie müssen auch staatliche Leistungen erbringen und ein Gleichgewicht zwischen den vielen weltanschaulichen und materiellen Interessen ihrer Bürger*innen herstellen können. Infolge globaler Entwicklungen sind die bislang vorherrschenden Voraussetzungen für erfolgreiche demokratische Transitionen immer weniger gegeben und auch die Mittelschichten in bereits bestehenden Demokratien sind heute weniger dominierend als früher. Stattdessen sind dort immer häufiger Polarisierungen ideologischer Natur zu beobachten und auch die Kohäsionswirkung und Vermittlungsrolle großer Parteien schwindet. So hat beispielsweise der Aufstieg Chinas zur Weltmacht auch dazu geführt, dass sich die autoritär bis totalitär regierte Volksrepublik in machen Weltregionen teilweise als erfolgreiches Gegenmodell zur westlichen Demokratie und ihren Instrumenten der Demokratieförderung darstellen konnte.

Dieses Themenfeld befasst sich daher mit den inneren politischen Strukturen von Autokratien, mit Fragen der Transition und Transformation sowie den Auswirkungen auf das Miteinander von Autokratien und Demokratien. Welche politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren tragen genau dazu bei, dass autoritäre Herrschaft entsteht, und wie konsolidieren autokratische Führungspersönlichkeiten ihre Macht? Wie reagieren Bürger*innen auf Autokratisierungstendenzen und welche Formen des Widerstands entwickeln sich, welche Faktoren beeinflussen ihre Effektivität? Wie werden Fragen von politischer Stabilität, wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit in Autokratien behandelt? Und wie schränken Autokratien Demokratien in ihren politischen Handlungsspielräumen ein? All diese Fragen sind Gegenstand politikwissenschaftlicher Forschung.

Autokratie vs. Demokratie: Das Wiederaufkommen der Systemkonkurrenz


Forschungseinrichtungen und Think Tanks


Institut für Demokratieforschung Göttingen

Forschung zu (1) Ideologien und Weltanschauungen, (2) ihr Verhältnis zu den demokratischen Institutionen, (3) ihr Niederschlag in gesellschaftlichen Konflikten und (4) ihre Transmission in den Parteienwettbewerb. 

Zentrum für Demokratieforschung (ZDEMO) an der Leuphana Universität Lüneburg

Forschung zu (1) den institutionellen, ideellen und materiellen Grundlagen demokratischer Ordnungen, (2) den Triebfedern politischen Wandels in diesen Ordnungen und (3) der Wirkung demokratischer Politikgestaltung auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.

Mainzer Zentrum für empirische Demokratieforschung (MZeDf)

Daten, Fakten und Argumente zum Zustand der Demokratie auf nationaler und internationaler Ebene.

Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der TU Dresden (HAIT)

Forschung zu den Voraussetzungen und gesellschaftlichen Nachwirkungen des Totalitarismus als Herrschaftssystem in Nationalsozialismus und Kommunismus.


Weiterführende Links
 


BTI Transformationsindex der Bertelsmann-Stiftung

Analysen zu Transformationsprozessen weltweit in den Bereichen Demokratie und Marktwirtschaft.

Forschungsjournal Soziale Bewegungen – Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft (FJSB)

Demokratisierungs- und Sozialforschung zu Bewegungen aus der Perspektive der politischen Soziologie.

Dossier des German Institute for Global and Area Studies (GIGA): Autoritärer Wandel

Die demokratische Regression nimmt zu, wo Repressionen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen auch in formal demokratischen Staaten stattfinden.

RadioFreeEurope/RadioLiberty

Die US-amerikanische Organisation widmet sich der Förderung von Demokratie und Menschenrechten, in dem sie aus Ländern berichtet, in denen keine freie Presse existiert oder die Pressearbeit eingeschränkt ist.

Freedom House

Die US-amerikanische Organisation widmet sich weltweit der Förderung und dem Schutz der Demokratie.