Strategische Konkurrenz im
internationalen System?
Die Zeit nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war gekennzeichnet durch die Abwesenheit strategischer Konkurrenz. In dieser Phase schien ein Paradigmenwechsel der internationalen Beziehungen hin zu einer regelorientierten Kooperation, zu Gewaltverzicht und zu einer Liberalisierung der Wirtschaftsbeziehungen auf den Weg gebracht zu sein. Tatsächlich entwickelte sich der Welthandel enorm und es begann eine globale wirtschaftliche Verflechtung, die Millionen von Menschen aus der Armut half und die die Hoffnung nährte, dass sich auch Staaten wie China, Russland oder der Iran liberalisieren werden. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Vor allem der wirtschaftliche Aufstieg Chinas war für dessen kommunistische Führung Anlass, die politische Kontrolle über die Bevölkerung zu verstärken und keinerlei Demokratisierung oder Rechtsstaatlichkeit zuzulassen. In Russland herrscht eine kleptokratische Machtvertikale, die immer schärfere Mittel zur Kontrolle der Bevöl-
kerung einsetzt. Im Iran hat sich die Herrschaft der Mullahs und der Revolutionsgarden immer mehr verfestigt. Allen diesen drei Staaten ist gemein, dass sie dem Westen feindselig gegenüberstehen und die Konfrontation suchen. Die kooperativen internationalen Beziehungen der vergangenen Jahrzehnte weichen einer Phase internationaler strategischer Konkurrenz und mehr oder weniger offener Gegnerschaft.
Dabei gibt es Unterschiede in der strategischen Konkurrenz zu Russland, China oder dem Iran. Während Russland Ambitionen hat, den alten Machtbereich der Sowjetunion oder gar des Zarenreiches wiederherzustellen und mit Gewalt (und ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Interessen) die Staaten Europas dazu zwingen will, sich russischer Vormacht unterzuordnen, strebt China eine völlige Neuordnung der internationalen Politik und der internationalen Ordnungsstrukturen an. China will bis zur Mitte des Jahrhunderts zur führenden Weltmacht werden und die USA als globalen Hegemon ablösen. Dazu baut es Systeme von Abhängigkeitsbeziehungen vor allem zu autoritär regierten Entwicklungsländern auf, schafft weltweit Infrastruktur und errichtet internationale Organisationen nach chinesischem Muster. China versucht die normative Dominanz des Westens im Sinne von Vorstellungen zu brechen, die aus einem nationalistisch-kommunistischen Kontext entstanden sind und die die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas global verankern sollen. Die chinesische Herausforderung ist aber nicht nur systemischer Natur, die militärische Dimension wird immer stärker von China betont. Abgesehen von den Drohungen zur Eroberung Taiwans ist die direkte Herausforderung der militärischen Präsenz der USA in Ostasien das Hauptziel der chinesischen Rüstung. Iran hingegen sucht regionale Dominanz herzustellen, indem es schiitische Netzwerke schafft, mit deren Hilfe Staaten im Nahen Osten destabilisiert, der Einfluss der USA zurückgedrängt und Israel vernichtet werden sollen. Alle drei strategischen Herausforderer des Westens haben unterschiedliche Stoßrichtungen, aber es kommt auch zur politischen und militärischen Zusammenarbeit zwischen ihnen.
Strategische Konkurrenz oder gar Gegnerschaft sind heute der Normalfall in der internationalen Politik und werden den kommenden Jahrzehnten ihre Prägung geben. In diesem Themenfeld werden Bücher und Analysen vorgestellt, die sich mit der Beschreibung, der Analyse und der Prognose von strategischen Konkurrenzbeziehungen befassen. Besonderes Augenmerk liegt auf den Parametern strategischer Konkurrenz (Wirtschaftskraft, technologische Innovation, strategische Abhängigkeiten) und den Faktoren des Wandels, wie zum Beispiel den innenpolitischen Bedingungen der strategischen Herausforderer. Auch ist die militärstrategische Dimension einzubeziehen sowie die Konfrontation in den Domänen des Cyber- und des Informationskriegs. Somit werden auch Themen wie Abschreckung, Verteidigung und Interventionsfähigkeit wieder relevant.
Strategische Konkurrenz im internationalen System?
Forschungseinrichtungen und Think Tanks
Center for a New American Security (CNAS)
Analysen und Empfehlungen zu strategischen Fragen und Herausforderungen, u. a. zur Großmächtekonkurrenz.
Mercator Institute for China Studies (MERICS)
Analyse des aktuellen Chinas und seiner Beziehungen zu Europa und der Welt sowie Handlungsempfehlungen für den Umgang mit China.
Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK)
Das ISPK forscht in vier Abteilungen zu den strategischen Fragen aktueller Herausforderungen innerhalb der internationalen Sicherheitspolitik.
Weiterführende Links
SIRIUS – Zeitschrift für Strategische Analysen
Grundlegende Überlegungen zu strategischen Herausforderungen und Optionen deutscher, europäischer und transatlantischer Politik
Sicherheitshalber – Der Podcast zur Sicherheitspolitik
Ulrike Franke, Carlo Masala, Frank Sauer und Thomas Wiegold diskutieren Probleme und Lagebilder aus Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa und der Welt.
Dossier der Zeitschrift Internationale Politik (DGAP): Putins Krieg gegen die Ukraine
Analysen, Essays und Interviews zur russischen Außen- und Innenpolitik, der Vorgeschichte und Entwicklung des Kriegs gegen die Ukraine und dem Verhältnis zwischen Russland und dem Westen
Dossier der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): Russlands Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen
Analysen zu verschiedenen Aspekten rund um den Krieg Russlands gegen die Ukraine (militärischen Lage und Verhandlungen, Innenpolitik und Gesellschaft in der Ukraine, Wirtschaft, Sanktionen und Energie, Europäische Sicherheitsordnung, globale Auswirkungen)