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Repräsentation und Parlamentarismus

Effizienz und Leistungsfähigkeit
demokratischer Institutionen

Die Stabilität und Legitimation von Demokratien hängt auch von der Fähigkeit des politischen Systems ab, zufriedenstellende Politikergebnisse zu erbringen. Wie gut dies gelingt, hängt von zahlreichen Faktoren ab, die die Effizienz und Leistungsfähigkeit demokratischer Institutionen beeinflussen.

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In einem Klassiker der Politikwissenschaft beschreibt David Easton das politische System als einen Organismus, der mit seinem gesellschaftlichen Umfeld in einer Austauschbeziehung steht. Demnach werden auf der einen Seite „Inputs“, also gesellschaftliche Forderungen und Erwartungen an das politische System herangetragen. Das politische System greift diese Forderungen auf und setzt sie in „Outputs“ um, etwa in Form von Gesetzgebung. Von der Qualität dieses Outputs hängt dann unter anderem auch ab, als wie legitim die Bürger*innen das politische System erachten. Auch wenn Eastons Modell das politische System als eine Art „Blackbox“ betrachtet und aufgrund seiner Abstraktheit vielfach weiterentwickelt und verfeinert wurde, hilft es zu verstehen, inwiefern Fragen der Effizienz und Problemlösungskompetenz demokratischer Institutionen sowohl eine entscheidende Rolle für die Lebensqualität der Bürger*innen als auch für die Stabilität demokratischer Systeme zukommt. Diese output-orientierte Dimension demokratischer Legitimation lässt sich mit Fritz Scharpf als „Herrschaft für das Volk“ beschreiben.

Wie leistungsfähig politische Systeme sind, hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab. Um diese nachvollziehen zu können, ist es notwendig, die „Blackbox“ politisches System zu öffnen und die Verfahren und Prozesse zu untersuchen, die sich darin abspielen. Dabei lassen sich mit Scharpf mindestens vier institutionelle Mechanismen identifizieren, die zur Output-Legitimität beitragen. Erstens soll Output-Legitimität durch die Rechenschaftspflicht der Politik gegenüber den Wähler*innen garantiert werden, die auf dem Wege von Wahlen, Gewaltenteilung und einer aufmerksamen politisch interessierten Öffentlichkeit hergestellt wird. Zweitens werden auch in Demokratien bestimmte Entscheidungen an Gremien von Expert*innen delegiert, die hohe Sachkompetenz aufweisen. Drittens sollen korporatistische Verhandlungen zwischen repräsentativen Großorganisationen (beispielsweise Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften) dafür sorgen, dass für alle Seiten akzeptable Ergebnisse erzielt werden. Schließlich sollen Verfahren Partizipation, Mitbestimmung und Deliberation sicherstellen, um zu gewährleisten, dass Problemdefinition und Problemlösung gleichermaßen zu idealen Ergebnissen für alle gesellschaftlichen Gruppen führen.   

Konkret bedeutet dies, dass die Leistungsfähigkeit des politischen Systems von so unterschiedlichen Faktoren wie der Konsensfähigkeit des politischen Personals, der Qualität der Verwaltung und dem Arbeitsstil in den Parteien bis hin zum gewerkschaftlichen Organisationsgrad reicht. Ebenfalls relevant ist beispielsweise die Ausgestaltung des Föderalismus, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder die Arbeit in den Expert*innen-Kommissionen, die die Bundesregierung beraten. Insbesondere die verschiedenen subnationalen, nationalen und internationalen Aspekte der Gesetzgebung sind durch die Fragmentierung vieler Parteiensysteme und die Einbettung legislativer Verfahren in die Strukturen der Mehrebenenverflechtung in der EU komplexer denn je.

Ein besonderes Augenmerk dieses Themenfelds soll auf den Parlamenten als Schlüsselinstitutionen liegen. Schließlich ist effiziente Parlamentsarbeit entscheidend, um die vielen Gesetzentwürfe zu erarbeiten, die für die Lösung komplexer Sachfragen nötig sind. Erschwert wird die Arbeit innerhalb der Parlamente durch Megatrends wie die Globalisierung, die die Steuerungsfähigkeit des Nationalstaats geschwächt hat, sowie durch die Existenz autoritär-populistischer Parteien, die Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen aktiv unterminieren. 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass auch demokratische Systeme einen Teil ihrer Legitimation aus der Fähigkeit ziehen, drängende Problemlagen angemessen politisch zu bearbeiten und Antworten zu präsentieren. Die Loyalität der Bürger*innen gegenüber dem demokratischen Staat basiert auch auf der Qualität der Politikergebnissen, die dieser Staat produziert. Insofern sind Effizienz und Leistungsfähigkeit funktionale Voraussetzungen der Stabilität demokratischer Ordnungen. Gleichzeitig besteht auch ein Spannungsverhältnis zwischen den normativ anspruchsvollen demokratischen Idealen von Selbstregierung, Deliberation und Mitbestimmung auf der einen und einer technokratisch-dezisionistischen Perspektive auf Effizienz, die sich für das Ergebnis, nicht aber das Zustandekommen einer Entscheidung interessiert. So wird insbesondere in Krisensituationen wie der Corona-Pandemie oder der Finanzkrise, immer wieder die Forderung laut, demokratische Prozesse zugunsten vermeintlich effizienter Lösungen abzukürzen und die Geschwindigkeit demokratischer Entscheidungsprozesse an das rasende Tempo von Infektionszahlen oder Finanzströmen anzupassen oder aber die Entscheidungsmacht direkt an Expert*innen zu übertragen.

Dies sind nur einige Beispiele, die illustrieren sollen, wie wichtig, aber auch wie schwierig, die Kriterien Effizienz und Leistungsfähigkeit für politische Systeme sind. Daher sollen in diesem Themenfeld Fragestellungen behandelt werden, die die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Konsequenzen effizienter und leistungsfähiger Politik untersuchen. Zudem soll gefragt werden, wie ein demokratietheoretisch informierter Begriff von politischer Leistungsfähigkeit aussehen kann, der gesellschaftliche Problemlösungskompetenz nicht mit ökonomischer Kosten-Nutzen-Rationalität gleichsetzt. Nicht zuletzt sollen Prozesse wie die Rekrutierung von Kandidat*innen für politische Ämter in den Blick genommen werden, die häufig unter dem Radar der Öffentlichkeit laufen, aber für Gewährleistung von leistungsfähiger und partizipativer Politikgestaltung von entscheidender Bedeutung sind.

Effizienz und Leistungsfähigkeit parlamentarischer Strukturen

Forschungseinrichtungen und Think Tanks


Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien

Historische Parlamentarismus- und Demokratieforschung für Europa seit Ende des 18. Jahrhunderts bis heute
 

Research Committee of Legislative Specialists (RCLS) der International Political Science Association (IPSA)

Das RCLS fördert Komparatistik-Studien zu Gesetzgebungsorganen und ihrer Institutionen, Prozesse und Aktivitäten.


Weiterführende Links


IParl-Projekt „Standing Orders of Parties in Parliament (SOPiP)”

Fraktionsgeschäftsordnungen – ein unentdecktes Feld? Mitnichten, hier wird zur Binnenorganisation parteilicher Gruppen und innerfraktioneller Willensbildung geforscht.
 

@hib_Nachrichten - „Heute im Bundestag“

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