Roland Sturm: Repräsentation und Reform – das britische House of Lords
Das House of Lords gilt vielen seit langem als eine „Reformbaustelle“. Doch wie steht es um seine Repräsentationsfunktion im politischen System Großbritanniens? Roland Sturm untersucht für das Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) die Rolle des House of Lords in Hinblick auf verschiedene Dimensionen der Repräsentation. Trotz bestehender Defizite in der prozeduralen, symbolischen, deskriptiven und inhaltlichen Repräsentation hält Sturm eine Totalrevision des House of Lords, wie sie etwa von der Labour-Partei gefordert wird, in naher Zukunft für unwahrscheinlich.
Die Repräsentationsleistung des House of Lords wird nach den in der Forschung entwickelten Kategorien diskutiert. Zu fragen ist also: Wie ist Repräsentation im britischen Fall organisiert (Verfahren)? Welche Gruppen der Gesellschaft bilden sich ab, deskriptiv wie symbolisch (Abbildung)? Welche Interessen setzen sich durch (Inhalte)? Das Verfahren zur Bestellung des House of Lords erweist sich als unfertig und widersprüchlich. Inhaltlich entleert wird es durch eine überbordende Ernennungspraxis. Die Labour-Partei hat bei einem Wahlsieg eine Totalrevision angekündigt. Die Chancen dafür sind wegen vieler ungeklärter Probleme und der niedrigen politischen Priorität einer House of Lords-Reform gering. Die Repräsentation von Frauen im Oberhaus bleibt relativ gering, der Gedanke des sanior pars hält sich zäh. Er hat auch Grundlagen in der Gesetzesverbesserung durch das Oberhaus. Die Crossbenchers, also die Mitglieder des House of Lords, die sich keinem parteipolitischen Lager zuordnen, spielen hierbei eine wichtige Rolle. Parteipolitisch lässt sich zwar die Ernennungspraxis gestalten; das Oberhaus zu einer nur parteipolitischen Arena zu machen, dafür reicht der Einfluss der Premierminister bisher nicht. Es bleibt dabei: Das House of Lords ist eine Reformbaustelle, auch wenn gerade die Option eines gewählten Oberhauses in keiner der bisher vorgestellten Versionen eine Mehrheit findet.
Repräsentation und Reform – das britische House of Lords
Blickpunkt Nr. 10, April 2023, 12 Seiten, DOI: 10.36206/BP2023.01
Diesen und weitere Blickpunkte des Instituts für Parlamentarismusforschung (IParl), Berlin, mit dem Schwerpunkt Parlamente und Parteien finden Sie hier.
Dieser Beitrag des Instituts für Parlamentarismusforschung (IParl) entstand im Jubiläumszeitraum der Stiftung Wissenschaft und Demokratie. Die Stiftung ist seit 30 Jahren tätig und verfolgt mit ihren Einrichtungen und Förderprojekten das Ziel, insbesondere die Politikwissenschaft bei der Lösung praktischer und normativer Probleme der Demokratie zu unterstützen.
Repräsentation und Parlamentarismus
Rezension / Klaus Kremb / 10.08.2010
Sven Leunig (Hrsg.): Handbuch Föderale Zweite Kammern
Eine zweite Parlamentskammer stellt eines der Hauptmerkmale der meisten föderal organisierten Staaten dar. Als Akteure im jeweiligen politischen System spielen die zweiten Kammern jedoch zum Teil sehr unterschiedliche Rollen. Ähnlich verschieden ist die Anfälligkeit für parteipolitische Blockaden ausgeprägt. Ein Vergleich der Systeme war bisher jedoch recht schwer, denn es fehlte ein Handbuch über die strukturelle und funktionale Bandbreite. Diese Lücke hat Sven Leunig, Akademischer Rat an der Friedrich Schiller-Universität Jena, nun geschlossen.
Rezension / Timo Lüth / 16.06.2009
Matthias Prochaska: House of Lords Reform. Eine Analyse der Reformbestrebungen um das britische Oberhaus unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungen seit 1997
Prochaska verfolgt die Reformbestrebungen um das britische Oberhaus, die nach wie vor andauern. Schwerpunkt in diesem Reformprozess sind auch weiterhin die Fragen der Zusammensetzung und eine Klärung der Befugnisse der Kammer. In seiner weitgehend deskriptiven Darstellung beginnt der Autor mit einer Beschreibung der Sonderstellung des House of Lords innerhalb der Ausgestaltungen europäischer Demokratien.
Weiterführende Links
Meg Russell / 03.03.2023
Institute for Government
Franziska Carstensen / 01.12.2021
Institut für Parlamentarismusforschung