Oliver Slow: Return of the Junta. Why Myanmar’s Military Must Go Back to the Barracks
Dieses Buch gibt Einblick in die politische Lage in Myanmar nach dem Militärputsch von 2021. Oliver Slow betone die Farce des Umsturzes und beleuchte ethnische Konflikte sowie wirtschaftspolitische Fehler der Militärherrschaft, so unser Rezensent. Trotz gewaltsamer Unterdrückung bleibe der Widerstand der an sich sehr jungen aufgewachsenen Bevölkerung nach dem autoritären Backlash stark. Der Autor fordert eine stärkere internationale Reaktion gegenüber dem Regime, das wenig Rückhalt besitze und dennoch nicht von selbst einlenken werde.
„The military coup in Myanmar is not a fait accompli” (208), so Oliver Slow in seiner Abhandlung über den 2021 stattgefundenen Militärputsch in Myanmar und die seitdem andauernde Junta-Herrschaft. Auch nach bald drei Jahren seit dem Coup sei es dem Militär nicht gelungen, das Land und die Bevölkerung unter Kontrolle zu bringen. Slow zeigt in seinem Buch die komplexe Lage auf und skizziert ein gemischtes Bild der politischen Situation in Myanmar. Die berufliche Tätigkeit des Autors vor Ort ermöglicht es ihm dabei, viele persönliche Stimmen einzubinden und die Gesamtlage besser zu verstehen.
Der 1. Februar 2021 hat das südostasiatische Land erschüttert und ebenso den in der Region lebenden Journalisten. Für viele Menschen kam der Putsch überraschend und habe das Land in Schockstarre versetzt, so der Verfasser. Allerdings sei recht schnell eine erst friedliche und später auch gewaltsame Widerstandsbewegung entstanden. Dabei ging es den Beteiligten nicht nur darum, das burmesische Militär von der Macht zu entfernen, sondern auch eine echte Post-Diktatur-Gesellschaft aufzubauen, die deutlich resilienter gegenüber antidemokratischen Bestrebungen sei.
Der Putsch selbst sei eine Farce gewesen: halbgare, vorgeschobene Rechtfertigungen seien vorgebracht worden, an die niemand geglaubt hätte, so der Autor. Der angebliche Wahlbetrug sei erfunden. Das wisse selbst das Militär, das sich nicht einmal bemüht habe, dafür Belege vorzulegen. Das Militär, in Myanmar nur Tatmadaw genannt, verfüge dementsprechend kaum über gesellschaftliche Unterstützung. Die minimale Sympathie, die die Streitkräfte besessen hätten, sei mit dem Niederschlagen der friedlichen Proteste im Nachgang des Coups verschwunden. Nach dem mutwilligen Verhaften von Zivilistinnen und Zivilisten, dem wahllosen Abgeben von Schüssen in die Menschenmengen und dem lebendigen Verbrennen von Unschuldigen in den Straßen sei der Widerstand nur noch weiter gewachsen.
Dahinter steht Slow zufolge die Tatsache, dass die Bevölkerung sehr jung ist, und viele junge Menschen in der Demokratie aufgewachsen sind, auch wenn es sich für sie um eine vergleichsweise neue Staatsform handelt. Zudem sei den Menschen vor Ort der Unterschied zwischen ziviler und militärischer Herrschaft bewusst. Nach dem Militärputsch 1962 sei das Land lange in der Isolation versunken und erst in den 2000er-Jahren daraus auferstanden. Die Wahlen von 2020 hätten dann formal das Ende der Militärherrschaft besiegelt.
Dem hätte sich der ambitionierte General Min Aung Hlaing aber nicht unterordnen wollen. Er sei innerhalb der alten Militär-Hierarchie aufgestiegen und habe immer den Anspruch gehabt, selbst eines Tages den Thron zu besteigen. Dafür sei jedes Mittel recht gewesen. Das Militär sei aber vom Widerstand überrascht worden. Vor allem hätten seine Führungspersönlichkeiten ihre eigene Position überschätzt und ihr gesamtes Leben nur innerhalb der Tatmadaw verbracht; „they have no idea how much they’re hated“ (15). Das habe schlussendlich auch zu einer Kultur der Verantwortungslosigkeit geführt.
In einem wilden Ritt durch die burmesische Gegenwartsgeschichte und nähere Vergangenheit zeichnet Oliver Slow ein vielfältiges Bild. Er berichtet über den abstrusen Aberglauben der Militärführung, unter anderem von neuen Geldscheinen mit Zahlen, die alle durch neun teilbar seien,, den wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen, die in weiten Teilen des Landes zu großer Armut geführt hätten, sowie über die grassierende Korruption innerhalb des Militärs. Ein besonderer Schwerpunkt des Buches liegt auf den zahlreichen ethnischen Konflikten, die das Land seit der Unabhängigkeit im Jahr 1948 prägen. Der gegenwärtige Widerstand habe es allerdings geschafft, viele ethnische Minderheiten in den bewaffneten Kampf gegen das Regime einzubinden. Das hätte gesamtgesellschaftlich zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für das Schicksal vieler marginalisierter Gruppen geführt. Der aktuelle Widerstand gegen die Junta sei außerordentlich stark.
Oliver Slow konstatiert: „the Tatmadaw has never been tested like it is today” (21). Die Widerstandsbewegung könne sich dabei auf vergangene Proteste und Aufstände stützen, vor allem den 8-8-88-Aufstand (8888 Uprising) aus dem Jahr 1988, der bereits die damalige Junta in schwere Bedrängnis gebracht habe. Aktuell stehe das Regime mit dem Rücken zur Wand, sei in quasi allen Landesteilen militärisch gebunden und die Moral in der Truppe sei gering wie nie. Das Regime stehe auf wackligen Beinen.
Allerdings sei die internationale Resonanz auf all das insgesamt schwach ausgefallen. Es brauche zwangsläufig, so der Autor, eine Antwort von außen, sonst lenke das Militär nicht ein. Aufgrund der straffen Hierarchie des Tatmadaw, müssten Maßnahmen, das Regime zu schwächen, zwangsläufig von außen kommen. Slow plädiert für eine stärkere internationale Antwort auf den sich verschärfenden Bürgerkrieg im Land.
Ihm gelingt mit dem Buch ein faszinierender Einblick in ein Land, das weltweit noch zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Seine persönlichen Berichte zeigen eine Gesellschaft im Widerstand, deren Optimismus ungebrochen scheint. Die Mehrheit der Burmesinnen und Burmesen seien sich dem nahenden Ende der Tatmadaw-Herrschaft sicher; und die Rahmenbedingungen gäben Anlass zur Hoffnung. Das Militär habe im Gegensatz zu anderen Ländern so gut wie keine Unterstützung in der Bevölkerung, schaffe es international nicht, sich aus der Isolation zu lösen und verschärfe mit dilettantischer Wirtschaftspolitik die humanitäre Notlage vor Ort.
Das Werk überhebt sich aber an seinem Anspruch: Slow versucht mit dem Buch alle Aspekte des Landes abzudecken, und dies zusätzlich mit persönlichen Statements von Menschen vor Ort zu unterfüttern. Dieser Stil ermöglicht zwar ein persönlicheres Bild von der lokalen Lage, erschwert es aber, einen Gesamtüberblick zu erhalten. Zudem ist der Titel des Buches verwirrend; die Rückkehr der Junta zur Macht wird kurz erklärt, aber nicht weiter vertieft. Die Rückkehr in die Kasernen wird hingegen ausführlich beantwortet, wenn auch nicht explizit. Slow begründet nicht, warum ausgerechnet die Rückkehr in die Kasernen von Bedeutung sei; er weist hingegen ausführlich aus, wie schlecht das Militär für das Land sei. Tatsächlich wäre eine kurze Abhandlung über die Vorteile einer reformierten Armee unter demokratischer Kontrolle spannend gewesen und hätten die gegenwärtige Debatte bereichert. So ist hingegen ein Werk der Abrechnung über die Tatmadaw entstanden. In jedem Fall ist Slow ein eindrucksvolles Buch mit vielen Anekdoten entstanden, das die Lage in Myanmar ansprechend illustriert.
Demokratie und Frieden
Rezension / Jan Achim Richter / 15.08.2013
Lena Bullerdieck: Myanmar 2.0. Eine Studie zum Einfluss neuer Medien auf gesellschaftlichen Wandel
Myanmar durchläuft derzeit den politischen Transformationsprozess von einer Militärdiktatur zu einer Demokratie. Mit einem für eine Masterarbeit hohen Aufwand analysiert Lena Bullerdieck vor diesem Hintergrund die Veränderungen der Medienlandschaft.
Externe Veröffentlichungen
Kristian Stokke, Nyi Nyi Kyaw / 01.01.2024
Political Geography
Mai Van Tran / 05.04.2023
Asian Politics & Policy (APP)