/ 12.06.2013

Hans-Jürgen Wirth
Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik
Gießen: Psychosozial-Verlag 2002 (Psyche und Gesellschaft); 439 S.; 24,90 €; ISBN 3-89806-044-6"Werden wir von psychisch Kranken, von Suizidgefährdeten regiert?" (13) So eine der Fragen des Autors, dem es um die "persönlichkeitsdeformierenden Bedingungen des politischen Betriebs" (11) geht. Aufbauend auf frühere Arbeiten stellt er in vier detaillierten Fallstudien über Uwe Barschel, Helmut Kohl, Joschka Fischer und Slobodan Miloševi? "die Verflechtungen zwischen individueller Psychopathologie, den sozialstrukturellen Bedingungen der Macht und den Identitätskonflikten der jeweiligen Bezugs...

Hans-Jürgen Wirth
Narzissmus und Macht. Zur Psychoanalyse seelischer Störungen in der Politik
Gießen: Psychosozial-Verlag 2002 (Psyche und Gesellschaft); 439 S.; 24,90 €; ISBN 3-89806-044-6"Werden wir von psychisch Kranken, von Suizidgefährdeten regiert?" (13) So eine der Fragen des Autors, dem es um die "persönlichkeitsdeformierenden Bedingungen des politischen Betriebs" (11) geht. Aufbauend auf frühere Arbeiten stellt er in vier detaillierten Fallstudien über Uwe Barschel, Helmut Kohl, Joschka Fischer und Slobodan Miloševi? "die Verflechtungen zwischen individueller Psychopathologie, den sozialstrukturellen Bedingungen der Macht und den Identitätskonflikten der jeweiligen Bezugsgruppe" (12) heraus. Ein umfangreiches theoretisches Kapitel über die "siamesischen Zwillinge" Macht und Narzissmus geht dem Hauptteil voran, zwei kürzere Kapitel über "Psychoanalyse und Politik" sowie über "Terrorismus, Krieg und Tod" skizzieren abschließend den Nutzen, der sich Wirth zufolge aus der gewählten Betrachtungsweise für die Politik ziehen lässt. Für den politikwissenschaftlichen Leser schickt er voraus, sein psychoanalytischer Ansatz sei notwendig subjektiv, spekulativ und bedinge zudem ein Vokabular, das beim diesbezüglichen Laien leicht missverstanden werden könne. In ihren psychoanalytischen Qualitäten soll die Arbeit daher auch nicht Gegenstand der Bewertung sein. Über den Tenor mag sich der Leser z. B. auf Seite 13 vergewissern, aus politikwissenschaftlicher Sicht jedenfalls ist die Arbeit schwerlich ernst zu nehmen. Wenn etwa zur Illustration des Verhältnisses von Narzissmus und Macht "aus einer eher soziologischen Perspektive" (9) Lord Actons Ausspruch von der korrumpierenden Wirkung der Macht und als Quelle für das Zitat ein Artikel aus dem "Spiegel" herangezogen wird; wenn weiter das Streben nach Macht auf den Wunsch "der narzisstisch gestörten Persönlichkeit" reduziert wird, "innere Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Minderwertigkeit zu kompensieren" (9), dann ist dies nicht nur für ein sehr wenig komplexes Verständnis von Politik und Macht als einer ihrer zentralen Kategorien symptomatisch, sondern auch für die das Buch insgesamt auszeichnende gedankliche und methodische Ferne von genuin politikwissenschaftlichen Fragestellungen.
Thomas Nitzsche (TN)
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
Rubrizierung: 2.24 | 2.331 | 2.62
Empfohlene Zitierweise: Thomas Nitzsche, Rezension zu: Hans-Jürgen Wirth: Narzissmus und Macht. Gießen: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13195-narzissmus-und-macht_15810, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 15810
Rezension drucken
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
CC-BY-NC-SA
Neueste Beiträge aus
Themen
Themen