/ 12.06.2013
Erhard Eppler
Privatisierung der politischen Moral?
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000 (edition suhrkamp 2185); 142 S.; kart., 8,64 €; ISBN 3-518-12185-5Wer den Titel dieses lesenswerten Buches sieht, liegt sicherlich nicht falsch, wenn ihm sofort der Altbundeskanzler Kohl in den Sinn kommt, der Gesetze zur Parteienfinanzierung mitbeschloss, sie ohne Gewissensbisse quasi öffentlich brach und dies auch noch mit moralischen Kategorien begründete, nämlich seinem Ehrenwort bzw. der Beteuerung, er habe seiner Partei dienen wollen. Eppler wendet sich aber auch scharf gegen das narzisstische Verhalten eines Oskar Lafontaine, der den Kram einfach hinsch...
Erhard Eppler
Privatisierung der politischen Moral?
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000 (edition suhrkamp 2185); 142 S.; kart., 8,64 €; ISBN 3-518-12185-5Wer den Titel dieses lesenswerten Buches sieht, liegt sicherlich nicht falsch, wenn ihm sofort der Altbundeskanzler Kohl in den Sinn kommt, der Gesetze zur Parteienfinanzierung mitbeschloss, sie ohne Gewissensbisse quasi öffentlich brach und dies auch noch mit moralischen Kategorien begründete, nämlich seinem Ehrenwort bzw. der Beteuerung, er habe seiner Partei dienen wollen. Eppler wendet sich aber auch scharf gegen das narzisstische Verhalten eines Oskar Lafontaine, der den Kram einfach hinschmiss, als er einsah, dass er die Regierung und den Kanzler nicht dominieren konnte. Epplers wichtigste Stoßrichtung ist jedoch eine andere: Der ehemalige SPD-Spitzenpolitiker kritisiert das verbreitete Streben von Politikern nach moralischen Begründungen für das eigene Handeln, wobei diese aber munter selbst die Kategorien definieren, nach denen sie sich ihre jeweiligen Persilscheine ausstellen. Moralische Wertmaßstäbe sind zwingend notwendig, will man überhaupt politisch agieren, denn schließlich gilt es in der Politik, Werturteile zu fällen, um die Normen definieren zu können, nach denen das Gemeinwesen funktionieren soll. Eppler kritisiert, dass die Öffentlichkeit weniger auf die inhaltlichen Aspekte von Problemen achtet, weniger auf das genuin Politische, sondern allzu oft auf nachrangige Fragen wie die der persönlichen Moral von Politikern. Gleichzeitig verkennt er aber nicht deren besondere Stellung: Ihnen ist vieles nicht erlaubt, was beispielsweise Wirtschaftsführer selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen. Wer politische Ämter bekleidet, ist der Öffentlichkeit sehr viel mehr Rechenschaft schuldig. In den Chor der Systemverächter oder Resignierten, die alle Politiker für Lügner und die Politik für ein schmutziges Geschäft halten, will Eppler aber nicht einstimmen. Im Gegenteil, er sieht keine Alternative zur Parteiendemokratie. Er mahnt allerdings eine Rückbesinnung der Politik auf moralische Maßstäbe an. Dass die Zusammenfassung der Grundsätze einer solchen politischen Moral auf den letzten Seiten an die zehn Gebote erinnert, ist bei dem engagierten Christen Eppler sicherlich kein Zufall.
Inhalt: 1. Zuwenig oder zuviel Moral?; 2. Wer darf was? Politik als Tummelplatz für Lügner?; 3. Narziß jenseits der Eitelkeit; 4. Die geldgierigen Parteien; 5. Der Überdruß am Staat und die Privatisierung der Gewalt; 6. Moral ohne Politik - Oder die Privatisierung der Moral; 7. Die unfreiwilligen Erben des Karl Marx.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.35 | 2.33
Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Erhard Eppler: Privatisierung der politischen Moral? Frankfurt a. M.: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/13369-privatisierung-der-politischen-moral_16020, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 16020
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M. A., Politikwissenschaftler.
CC-BY-NC-SA